Recap des season openers gegen die Jacksonville Jaguars (20-17)
Woche eins ist für die Miami Dolphins in den Büchern und endete mit einem nicht unverdienten 20:17 – Heimsieg im „Florida-Derby“ gegen die Jacksonville Jaguars. Record auf 1-0 gestellt, Heimspiel siegreich gestaltet, weiter zur Tagesordnung – weit gefehlt! Dieses Spiel wird den Beteiligten und Fans sicher noch ein wenig im Gedächtnis bleiben, es ist mit denkwürdig zu umschreiben und hatte zwei Teile, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Denkwürdig nicht nur wegen der sommerlich warmen Temperaturen. An diesem 08. September war dies aber nicht das Einzige, was Nachwirkungen haben dürfte. Die direkte Spiel-Vorbereitung verlief für einige Spieler der Miami Dolphins etwas (nennen wir es) suboptimal.
I. Die Vorgeschichte
Bereits Stunden vor dem eigentlichen Kickoff ploppte die Meldung auf, Tyreek Hill sei von der Miami Dade – Police verhaftet worden. Schnell tauchte ein Video auf, welches ihn in Handschellen am Straßenrand sitzend zeigt. Wie sich im Nachhinein erweisen sollte, scheint Herr Hill nicht nur auf dem Feld den Speed zu lieben und ist schlichtweg auf dem Weg zum Stadion wegen Speedings angehalten worden. Was dann passierte? Unklar. Es endete damit, dass ihm Calais Campbell beistehen wollte und wohl auch Handschellen angelegt bekam. Ob dies nun falscher Ehrgeiz der Cops war, ob einer Tyreek im gegnerischen Fantasy Team zu stehen hatte oder ob sie ein Exempel an den Stars statuieren wollten – momentan ist alles noch recht unklar. Fakt war aber, dass Tyreek wieder gehen (und spielen) gelassen wurde, es aber sicherlich eine mehr als unglückliche Vorbereitung auf ein Football-Spiel war.
II. Der erste Teil des Spiels – noch viel Sand im Getriebe
Unter diesen Vorzeichen starteten die Dolphins mit dem ersten offensiven Drive in das Spiel – und es wurde schnell deutlich, dass a) die Jacksonville Jaguars verdammt gut eingestellt und b) die durch Mike McDaniel gecoachte Truppe noch sehr viel Rost angesetzt hatte. Im Laufspiel – meist durch die Mitte, selten über außen – ging wenig zusammen, die neu formierte O-Line sah im Run Blocking alles andere als gut aus. Den größten Raumgewinn in den ersten vier Drives in Folge eines Laufspielzugs kam durch ein Scramble des QBs. Die hoch gehandelten Devon Achane und Raheem Mostert hatten schlichtweg nicht die Räume sich zu entfalten. Dies wurde auch im weiteren Spiel nicht wirklich besser; erst der Einsatz von Jeff Wilson gegen Ende des Spiels (5.2 Yards per Carry, 26 Yards bei fünf Versuchen) machte den stat sheet erträglich; beim Potential des Laufspiels sind 81 Yards total aber indiskutabel.
Der hawaiianische Ballverteiler aus Miami schloss sich anfangs seinen Team-Kollegen an. Viele Bälle waren unsauber geworfen, nicht präzise und wahrlich nicht durch seine Pass-Empfänger unterstützt. Alleine TE Durham Smythe schien an diesem Tag eher „Holz-Hände“ zu haben und konnte drei fangbare Bälle nicht festhalten. Ein langer Pass, bestimmt für Tyreek Hill, war von Tua etwas weit platziert und somit incomplete – der Druck der Defense der Jauguars tat ihr Übriges dazu. Drei sacks, 8 Tackles for loss, 4 QB hits und fünf deflected passes – das Team von DC Ryan Nielsen (in seinem ersten Spiel in der Verantwortung mit einem herausragenden Job) hatte die beste Offense der letzten Saison über weite Strecken in Griff. Die ersten Punkte – einen TD von RB Devin Achane – erzielte Miami erst ganz am Ende des zweiten Viertels. Hätten Trevor Lawrence und Co. ihre Chancen in der eigenen Offense besser und die vorhandenen Schwächen der Defense der Fins genutzt, das Spiel wäre hier schon entschieden gewesen.
So beließen es der ehemalige #1-Pick und seine Offense bei 17 Punkten zur Halbzeit. Mussten sie sich im ersten Drive noch der Power von Calais Campbell beugen (1 Sack, 1 TFL back to back), waren sie ansonsten in Hälfte eins offensiv präsent und nutzten Miamis Schwächen aus. Die von (ebenfalls neu) DC Anthony Weaver gecoachte Unit zeigte gerade in puncto pass rush, Lauf-Verteidigung und Coverage, dass (erwartbar) noch nicht alles so reibungslos klappt, wie es sein könnte. Ein sichtlich noch nicht bei 100% spielender Jalen Ramsey sah bei beiden TDs der Jaguars nicht gut aus. Den einen bereitete er durch eine klare Pass Interference in der Endzone massiv vor – bei der anderen klappte die Absprache in der Zone Coverage nicht, so dass Lawrence mit Hilfe von RB Tank Bigbsy (es war mit Etienne gerechnet worden, aber die Dolphins hatten mit RB #2 größere Schwierigkeiten), Gabe Davis und Rookie Brian Thomas Jr. besagte 17 Zähler anschreiben und das Spiel kontrollieren konnten. Es sah nicht viel nach einem Erfolg der Fins aus – was dann aber kam, war eine Reaktion.
III. Der Schneemann als momentum swing und Game Changer
Dabei lief das Spiel auch nach der Halbzeit zunächst seinen gewohnten Gang, ohne das Miami sichtbar einen besseren Zugriff auf das Spiel gehabt hätte. Dies änderte sich erst, als es für das „Florida Derby“ beinahe schon zu spät war. Die Defense hatte sich stabiler gezeigt und Jacksonville mit zwei 3&Outs wieder vom Feld geschickt, ohne dass die eigene Offense einen impact hätte haben können. Teilweise verschuldet war dies durch Tua, der sich infolge eines Sacks aus der eigentlich schon erreichten FG range wieder herausdrängen ließ und so einen erfolg- und Punkte versprechenden Ansatz zunichte gemacht wurde. Unter anderem konnte der Franchise-QB einen langen Pass auf Jaylen Waddle anbringen, der Miami bis an die Jacksonville 26 heranbringen sollte. Einen Lauf, einen Pass (beide für minus 3) und einen Sack (-14 Yards) später sollte Miami weiterhin punktlos bleiben. Gefundenes Fressen für die Raubkatzen – oder etwa doch nicht?
Im darauf folgenden Drive bewegten die Jaguars den Ball 94 Yards über das Feld und RB Travis Etienne konnte die gegnerische Endzone und den wohl siegbringenden TD für seine Farben schon schmecken – wenn es dan nicht Jevon Holland und seine Qualität gäbe, mit einzelnen Plays ganze Spiele entscheiden zu können. Der „Schneemann“ blieb in der Hitze des Hard Rock Stadiums cool und zeigte deutlich auf, dass man mit ihm verlängern sollte. Mit einer Energie-Leistung schlug er dem RB den Ball aus der Hand, der in die Endzone trudelte und dort von Hollands Mitspieler Kader Kohou aufgenommen werden konnte. Statt TD Jacksonville also Ballbesitz für Miami an der eigenen 20 Yards-Linie.
In dieser Situation lag der gesamte Umschwung eines Football-Spiels begründet, was den Sport generell so überragend macht. Der Truppe von Coaching-Veteran Doug Peterson gelangen danach keine Punkte mehr, selbst der Weg in die Red Zone der Fins blieb ihnen verschlossen. Die nackten Zahlen dazu: 76 total offensive Yards, 2 Sacks „gefressen“, 1 Turnover und ein Turnover on downs, null Punkte – da wurden in der Halbzeit offensichtlich die richtigen adjustments getätigt, der Bock umgestoßen.
Und Miami? Die packten ihre Qualitäten aus, die sie im letzten Jahr schon so stark gemacht hatten. Erstes Play nach dem Fumble: big play! Tua auf Tyreek, der seinen Speed und seine Separation ausnutzt – 80 Yards in die Endzone, TD. Das er es sich danach nicht nehmen lassen konnte, auf die Ereignisse vor dem Spiel Bezug zu nehmen und sie in seine TD celebration mit einzubauen – nun ja, dass darf jede und jeder für sich selbst bewerten. „Handcuff gate“ wird aber sicher weitere Nachwirkungen haben als den Jubel von Miamis Nummer 10.
Nachwirkungen hatte offensichtlich auch der Turnover – und das für beide Teams. Nächstes Play nach Miamis TD – nächster Ballverlust? Es fehlte verdammt nicht viel! Doch der Fumble nach dem Kickoff durch den Jaguars-Returner konnte zwar von einem Fins-Verteidiger vermeintlich gesichert werden. Im grab-Duell hatte an Jacksonvilles 23 letzten Endes aber der Special Teamer des Gäste-Teams den Ball. Aus dem Drive im Anschluss konnte Doug Peterson aber kein Kapital schlagen – im Gegenteil. Läufen von Etienne und Bigsby für 9 Yards konnte die Jags-Offense in zwei Versuchen (den vierten spielten sie riskanterweise aus) nicht das fehlende Yard hinzufügen. Unter anderem Jalen Ramsey machte es Travis Etienne über die gesamte Breite des Felds hin unmöglich, Raum für den nötigen Raumgewinn zu finden. Die Defense hielt also – und sollte das bis zum letzten Drive der Offense von Trevor Lawrence auch tun. Vorher müssen wir einen weiteren Handlungs-Strang des Spiels aufdröseln, der letzten Endes entscheidend sein sollte: Das emotionale Kicker-Karussell.
Jason Sanders – from Zero to Hero in unter 14 Minuten
Das Jason Sanders ein guter Kicker ist, dürfte niemand bestreiten wollen. Das er in der letzten Saison das ein oder andere FG über 50 Yards nicht verwandeln konnte, ist ebenfalls außer Frage. Das er aber nach einem nur sechs Yards reichenden Drive nach dem Turnover on Downs an Jacksonvilles 30 ein 42 Yard-FG verschießen und somit den Ausgleich liegen lassen würde, war doch etwas ungewöhnlich. Ob er beim letzten Schritt vor dem Kick ausrutschte, ob er den Schuss einfach verrissen hat, geschenkt – der Versuch segelte weit links an den Stangen vorbei und das Auswärts-Team konnte weiter die Führung bewahren.
Dies änderte sich erst nach einem weiteren starken Stop der Defense, die außer einem 11 Yard-run von RB Travis Etienne nicht viel zuließ. Vielmehr konnte eine starke Leistung des Punters Cooke die Miami-Offense bis an die 8 Yard-Linie zurückdrängen (Apropos Punter: Jake Bailey bekommt gleich noch sein eigenes P.S.). Von nun an spielte Miami mit der gegnerischen Defense und der Uhr. 12 plays und 73 Yards später wurden die Fins aber an der gegnerischen 19 gestoppt. FG try, dieses Mal 37 Yards. Der Unterschied: nicht die rechte Hashmark in der Sonne, sondern die linke im Schatten. Souveräner Schuss, mittig, Ausgleich, 4:22 zu spielen.
Was dann über Trevor Lawrence hereinbrach, kann man gut und gerne als offensives Debakel beschreiben. Zunächst wurde RB Bigsby ohne Raum-Gewinn von LB David Long gestoppt. In den beiden darauf folgenden snaps kollabierte kollektiv die Protection von Clemson-Absolvent Lawrence. Unter Druck drehte er sich im zweiten Versuch quasi direkt in den Sack von „Rückkehrer“ Emmanuel Ogbah hinein – minus 4 Yards. Im dritten Versuch hatte es die O-Line dann auf Ogbah abgesehen – und ließ Comebacker Jaelan Phillips frei zum QB vordringen – minus sechs Yards. War das noch nicht genug an Chaos, verschuldete der Punter noch ein delay of game, so dass man den Dolphins nach dem Punt an der Miami 35 Yard-Linie den Ball übergeben musste, mit noch knapp 2 Minuten auf der Uhr.
Die letzte Seite war aufgeschlagen, das Script geschrieben, der Ausgang vorhersehbar (natürlich nicht!). Miami kämpfte sich in diesem letzten Drive des Spiels durch die Timeouts des Gegners, spielte die Game clock herunter und schaffte es tatsächlich, sich bis an die gegnerische 34 vorzulaufen. Props hier an die RBs. Kein gutes Spiel, aber in den entscheidenden Momenten die harten Yards erzielt. 52 Yard FG-Versuch bei auslaufender Uhr: Auftritt „Mr. Money“. Kicker Jason Sanders, der in diesen Situationen vor gestern bei 7/7 für game winning FGs stand, schrieb seine eigene game story zu Ende und krönte sich zum Helden des Spiels. Treffer, längstes walk-off FG der Franchise-Geschichte, Uhr auf null, Spielstand 20-17. Heimsieg, Florida-Duell für sich entschieden, wichtiges Spiel gegen einen potentiellen Konkurrenten um PO-Plätze gewonnen. Nicht schön gespielt, aber gefightet und am Ende das Ding auf die eigene Seite gebogen. Um es dann auch mal so zu sagen: wenn die Offense nicht gut spielt, aber 338 Yards passing, 81 Yards rushing und je einen TD erzielen kann…kann man mal so machen. Tyreek Hill (130 Yards) und Jaylen Waddle (109) beide wieder 100+ Yards, zum siebten Mal in der gemeinsamen Karriere in Miami – wozu sind sie in der Lage, wenn sie mal wirklich gut drauf sind?
Tua Tagovailoa mit einem Spiel wie Licht und Schatten. Vor der Pause: 11/21 für 129 Yards. Eher so määh. Nach dem Seitenwechsel: 12/16 für 207 Yards und einen TD. Kein Turnover worthy play, smarte Entscheidungen und einen game winning drive. Wenn das seine „schlechten“ Spiele sind – immer her damit. Es musste ja auch mit einem W enden, da sowohl der HC als auch sein QB in ihren season opening games jeweils ungeschlagen bleiben. Seitdem Tua under Center steht, ist Miami in vier aufeinanderfolgenden Season openern stets als Sieger vom Platz gegangen. Übrigens in franchise history Platz zwei, denn zwischen 1993 und 1999 blieb ein gewisser Dan Marino sieben Opener in Folge siegreich. Ein Rekord, den Tua sich noch holen könnte – aus meiner Sicht aber nicht den Status „Man of the match“.
P.S. Mein Man of the match – kein Cheetah, kein Schneemann, kein Hawaiianer – ganz viel Punter-Ehre
Was war das Special Team in der vergangenen Saison in der Kritik, was haben die Experten über die Weiter-Verpflichtung von Punter Jake Bailey geschimpft – gestern war er aus meiner Sicht der über das gesamte Spiel gesehen konstanteste und beste Spieler der Miami Dolphins. Natürlich war er als Holder für Kicker Jason Sanders auch an den spielentscheidenden Field Goals beteiligt, was man ihm positiv ins Hausaufgaben-Heft schreiben kann. Die Leistung auf der ihm angestammten Position ist es aber genauso wert beachtet und erwähnt zu werden.
Was er für Punts aus dem Fuß gelassen und wo er die Jaguars mit ihrer Offense hin verfrachtet hat – an ihm hätte es nicht gelegen, hätten die Fins keinen Sieg davon getragen. Vier Punts für 198 Yards, 3 innerhalb der 20 – hört sich nicht so spektakulär an. Dem möchte ich folgendes entgegen halten: 47 Yards an die 4, 57 Yards an die 12, 51 Yards und 43 Yards an die gengnerische 3 – viel weiter konnte er die Mannen aus dem Norden Floridas gar nicht hinten beginnen lassen. Sollte er weiter so überragend weitermachen, wird er in den nächsten Spielen mehr sein als der „unsung hero“ – in einer Debatte um den Spieler des Spiels sollte man Jake Bailey aber sicherlich mit auf dem Zettel haben. Das hat er nach dieser Leistung auf jeden Fall verdient.
#GoFins und bring on the Bills – schon am Donnerstag, aber nach deren Performance gegen die Cardinals auch alles andere als unschlagbar.
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