Zunächst einmal vorweg: ich werde nicht auf das Spiel von gestern/heute morgen eingehen. Das Ergebnis, die Heim-Niederlage gegen die Buffalo Bills, der weitere Fortgang der Saison – in diesem Moment wirken sie verdammt weit weg und absolut unwichtig. Ich wollte einen solchen Beitrag auch nie schreiben. Deswegen werde ich ihn zweiteilen, mit dem Emotionalen beginnen und erst zum Ende auf die Zahlen eingehen – weil es eventuell ja sein muss :-(.
Viel stärker sind die Gedanken beim 26-jährigen Tua Tagovailoa, der sich nachweislich die dritte Concussion binnen der letzten zwei Jahre eingehandelt hat. Ob es dieses Risiko bei dem Spielstand überhaupt hätte nehmen müssen (er ist Sportler mit Ehrgeiz, von daher wahrscheinlich ja), ob er bei seinem Lauf hätte sliden sollen (wahrscheinlich hatte er nicht den Eindruck auf dem Feld, dass er das 1st down auch mit slide klargemacht hätte), dass ihn Damar Hamlin getackelt hat – vollkommen nebensächlich. Denn es war kein hartes, sondern ein handelsübliches Tackling, die das auslöste, was eine gesamte Fanbase und Franchise bis ins Mark erschütterte. Gerade mit der Geschichte, die der Hawaiianer aus den letzten Jahren mitbringt.
Sofort war allen Zusehenden und Beteiligten klar, dass es wohl wieder eine Concussion sein würde. Zu unnatürlich seine Reaktion mit den Armen und Fingern, die zu krampfen schienen, nach dem „Einschlag“. Nun gehen die Spekulationen natürlich los, ob Miami QB seine Karriere wird fortsetzen können oder wollen. Das „Gute“ in einer bescheidenden Situation vorweg: er konnte das Feld, wenn auch sichtlich angeschlagen, mit eigener Kraft verlassen und in den locker room kommen. Aus eigener (schmerzhafter) Erfahrung mit Concussions auf dem Platz kann ich aber anmerken: viel hat das nicht zu sagen. Viel bekommst du von dem Drumherum nicht mehr mit, du reagierst nur noch und tust nicht immer das, was du tun solltest.
Das Gute im Schlechten Teil zwei: die Mannschaft funktioniert, seine Mitspieler sind sofort geschlossen aufs Knie gegangen. Der Coach war ebenfalls (sichtbar) schwer betroffen und steht seinem verlängerten Arm auf dem Platz sichtbar näher als viele andere NFL-Coaches das sein würden. Ein weiteres gutes Zeichen: keiner macht Druck, Tua soll sich die Zeit nehmen, die er braucht. Denn es werden einige wichtige Wochen auf ihn zukommen. Für sich, seine Karriere, sein Leben und seine Familie. Die war direkt nach der Verletzung geschlossen in den locker room gekommen, um Tagovailoa beizustehen.
Denn nach der dritten Concussion seit 2022 wird sich der Alabama-Absolvent die Frage stellen (müssen), ob es noch Sinn macht und es medizinisch und persönlich verantwortlich wäre, seine Karriere in der NFL fortzusetzen. Er hatte ja bereits 2022 ein retirement in seine Gedanken einbezogen und sollte dies – mit seinen Beratern und der Familie im Hintergrund – gewissenhaft und sehr gut überlegen. Franchise, Saison – in diesem Fall Nebensache. Der junge Mann soll sich nicht wegen des Sports sein weiteres Leben ruinieren. Gerade in Zeiten von CTE und Co. eine weitreichende Entscheidung. Da zählen nicht franchise, Saison oder was auch immer. Es ist die Familie und die Gesundheit, die hier entscheidend sind. Damit dann zum Zwangsläufigen.
Der nüchterne Blick auf die Zahlen – auch wenn es schwer fällt: Andrew Luck und die „Barry Sanders rule“
Natürlich ist noch nichts Genaues bekannt, welche Konsequenzen die Verletzung haben wird. Coach McDaniel sagte es auf der PK nach dem Spiel treffend. Es werden weitere Untersuchungen abgewartet; sicher werden auch Liga und NFLPA genau beobachten, wie das weitere Vorgehen sein wird. Es steht zu vermuten, dass sich Tua nicht nur bei den Dolphins, sondern durch die Gewerkschaft angeregt auch einem unabhängigen Experten zur Untersuchung wird vorstellen müssen, das war ja schon 2022 so – was in diesem Fall keine Schikane ist, sondern eine gute Sache. Gewisse Herren aus Boston hatten ja trotz Concussion munter weiter gespielt. Eine Timeline einer Rückkehr auf das Feld gibt es dementsprechend natürlich nicht – wenn Tua wieder zurückkommen kann, darf oder will. Man muss sich damit auseinandersetzen, dass Tua retiren könnte. Sollte das passieren, wären mehrere Varianten finanziell theoretisch denkbar:
Generell ist es so: Miami hat Tua in seinem Vertrag einen signing bonus gegebenihm , Geld garantiert. Die Dolphins könnten – wie es damals die Colts bei Andrew Luck gemacht haben – ihm das komplette Geld des Vertrags-Volumens von 212,4 Millionen Dollar auszahlen bzw. in den Büchern belassen. Das wäre ein feiner Zug, ist aufgrund der Cap-Situation aber nicht wahrscheinlich. Variante zwei: Sie könnten ihm „nur“ die Garantien bezahlen. Das wären 167 Millionen Dollar. Das wäre bei injury retirement die wahrscheinlichere Option.
Sollte seine Spiel-Untauglichkeit nicht vorliegen und sollte Tua einfach so (naja, hört sich blöd an) retiren, gibt es weitere Möglichkeiten. Eine „normale“ Entlassung noch in dieser Saison (Post June 1st) hätte eine Summe von knapp 89 Millionen dead cap zur Folge – diese Variante ist ausgeschlossen. Kann sich wohl keine franchise der NFL leisten – Miami ohnehin nicht.
Man würde annehmen, dass man sich mit dem Hawaiianer, wenn man ihn denn (wahrscheinlich auf eigenen Wunsch hin) entließe (was ich ebenfalls als unwahrscheinlich ansehe) auf einen Post June 1st cut 2025 verständigte, was 58 Millionen dead money bedeuten würde. Das wäre die „beste“ Variante für die franchise – finanziell betrachtet.
Man könnte sich aber – auch das ist eine Variante – mit seinem Berater und Tua verständigen und würde zumindest einen (gewissen) Teil des garantierten Gelds zurückfordern, weil er dies ja nicht „erspielt“ hat. Hier geht es in erster Linie darum, wie viel Geld dann fließt. Zumindest die roster boni der Jahre 2027/2028 (5 bzw. 7 Millionen) sowie die per game roster boni (750k) 2025-2028 und die workout boni im selben Zeitraum (250k/annum) müssten die Fins ja nicht ausschütten. Anders verhält es sich mit dem bereits an Tua ausgezahlten signing bonus. Diese Regelungen sind aber im Collective Bargaining agreement klar beschrieben. Es könnte dann, wenn man das denn möchte, die so genannte „Barry Sanders rule“ greifen.
Der Running Back der Detroit Lions musste damals (1999) 1,8 Mios seines 11 Mios signing bonus (knapp ein Sechstel) an die Franchise aus Michigan zurückzahlen. Die Höhe entschied – und das wäre auch bei Tua so – ein sog. NFL arbitrator, der eingesetzt würde. Allerdings spielte der Hall of famer zumindest eine komplette Saison nach seiner Contract extension durch und musste nicht (offiziell) aus gesundheitlichen Gründen retiren.
Setzt man das hier beschriebene Sechstel bei Tua fest, wären das 7 Millionen, die Miami dann zurück bekäme. Eventuell sogar etwas mehr, da er ja nach seiner Extension bisher nur zwei Spiele absolvieren konnte. Aber das ist alles Zukunfts-Musik. Der Hawaiianer soll sich zunächst Gedanken um seine Gedanken und nicht um seinen Vertrag machen müssen.
In Ergänzung dazu: Miami behält den Vertrag und sollte sich Tua in den nächsten Jahren entscheiden, wieder spielen zu wollen, liegen die (Trade-) Rechte immer noch bei den Dolphins. Wollen wir aber für den Menschen Tua Tagovailoa hoffen, dass es dazu nicht kommen muss. Hoffen wir vor allem, dass er gemeinsam mit seiner Familie die für ihn richtige Entscheidung treffen wird.
#GoFins
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