Zunächst einmal: sicherlich alle Fans und Anhängerinnen der Miami Dolphins freuen sich bestimmt über das 42:38-Comeback der Dolphins von Sonntag, dass der franchise aus Florida und ihrem neuen Head Coach Mike McDaniel einen perfekten Start bescherte.
Was uns allerdings der gestrige Tag bescherte, zeigt aus meiner Sicht das Dilemma auf, in dem sich alle Football-Zuschauer befinden: die Frage nach der Beurteilung der Leistung des Quarterbacks Tua Tagovailoa und deren fairer Einordnung.
„Blake Bortles hatte auch schon solche Viertel“ versus
„Das, was Tua gespielt hat, war Marino-esque“
Zwei der unzähligen Dinge, die man über den Alabama-Alumni lesen und hören konnte. Vorweg: Ja, Blake Bortles hatte ein Viertel mit 3 TDs, 2015 gegen die Titans. Jacksonville hat aber verloren. Spiele mit 6 TDs hatte Bortles allerdings nicht. Dan Marino warf 1986 mal 6 TDs in einem Spiel gegen die Jets, aber da nicht drei in einem Viertel. Die Dolphins verloren auch hier (Quelle: Pro Football Reference).
Tua ist weder der eine noch der Andere. Irgendwann in seiner Karriere ist vielen Analysten aber die Neutralität abhanden gekommen. Setzt den Namen Tom Brady, Justin Herbert oder Drew Brees davor. Wäre die mediale Bewertung die gleiche? Das funktioniert auch mit Bortles, Osweiler oder Peterman. Aber woran liegt das?
Nüchtern betrachtet: die Statistik weist für Tua ein sehr gutes Spiel gegen NE aus – es war auf dem Platz so gut nicht. Das Spiel in Baltimore ist statistisch mind-blowing legendär. Nur Dan schaffte (s.o.) für Miami 6 TDs in einem Spiel, die geworfenen Yards sind die Nummer 4 in franchise history (auch hier: Pro Football Reference). Das ist umso beeindruckender, als auch da Hälfte eins nicht sonderlich berauschend war.
Ist das jetzt ein Grund, Tuas Leistungen klein zu reden? ICH SAGE: WEDER KLEINREDEN NOCH ERHÖHEN. Kein Mensch kommt auf die Idee, die Jets-Niederlage der 80er und Marinos Leistungen mit „ja aber Don Shula…“ „er hatte auch die Marks brothers“ (Mark Clayton, Mark Duper. Legendäre WR mit Helden-Status in Miami) zu relativieren. Auch das Argument „er hatte jetzt 6 schlechte, ein gutes und ein überragendes Viertel“ zeigt gelinde gesagt in die falsche Richtung.
Behandelt Tua nicht wie Tua – behandelt ihn wie John Smith, einem x-beliebigen Quarterback.
Quelle: ich
Tua sieht laut stat sheet dieser Saison natürlich überragend aus. 739 Yards und 7 TDs lassen ihn die Liga anführen (vor Wentz und Flacco übrigens). Ist er der MVP der Liga? Nein, ebenso wenig wie er das Obige ist. Er hatte Wackler gegen NE, die erste Hälfte gegen die Ravens war nicht gut. Das playcalling von Mike McDaniel kommt ihm entgegen, er hat einen sehr guten supporting cast in Waddle und Hill. All das ist richtig. Aber sollte man dies nicht ebenfalls in den Kontext setzen?
Erstens: Tyreek Hill und auch McDaniel wurden verpflichtet, um genau das zu tun. Sie bereiten den Boden und unterstützen den Hawaiianer in seinen Fähigkeiten. Ein Maurer mauert und lässt den Architekten glänzen? Oh Wunder, oh Wunder.
Tua ist nicht der beste QB der Liga – er ist aber auch keine Voll-Wurst. Er hat das Comeback der Dolphins bei den Ravens mit eingeleitet. Er hat überragende TDs auf Gesicki, Waddle und River Craraft nahezu perfekt geworfen. Er hat das Team zum ersten Sieg bei den Ravens nach 25 Jahren geführt. Das Spiel kommt also – ohne Wenn und aber – auf die Liste der Spiele, die Miami WEGEN Tua gewonnen hat. Das mag jeder anders sehen – es ist nur argumentativ nicht haltbar. Tua hat in Q3 und Q4 selbst spontan kreiert und dabei nicht nur Waddle oder Hill gefunden. Er ist ein Grund, dass Miami die Statistik „Comeback nach 21+ Punkten Rückstand im vierten Quarter“ umgeschrieben hat auf einen Ist-Record von 1 zu 711 seit 2011. Es war am Sonntag „Tuas Team“.
Wer das Spiel nicht gesehen und nur die Zahlen gesehen hat, wird „Mr.T.“ trotzdem eine 1 geben. Der wird die 2 INTs (von denen eine mit auf Tyreek Hill geht) einpreisen, der wird die Wackler in Hälfte eins mitnehmen – und die Prüfung dennoch als zumindest gut bewerten.
FAZIT
Was ist also das Ergebnis? Bewertungen und Argumentationen sind aus der Mode gekommen. Das Für und Wider zu beleuchten, Argumente auszutauschen (dazu gehört auch, Argumente anzunehmen) ist eine hohe Kunst. Das gilt auch für Tua, dessen Evaluation über dieser Saison steht. Wir haben zwei von 17 Spielen in den Büchern. Beide hat Miami gewonnen. Gegen durchaus hoch gehandelte defenses. Tua hat seinen Teil dazu beigetragen. Gegen New England einen kleinen, gegen Baltimore einen großen. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Er hat das gemeinsam mit Hill, Waddle, McDaniel und Co. getan. Gehört das mit in seine Evaluation? Nein! Ob der Maurer gut, der Architekt mies ist oder der Polier Linkshänder ist. Letzten Endes wird das Haus abgenommen, wenn es fertig ist. Nicht schon, wenn der Rohbau erst halb steht.
Es ist erst der Beginn der Saison. Also alle mal die Beurteilungs-Bögen einpacken und zur Bye week raus holen. Dabei nicht jedes Viertel einzeln bewerten – das ist Quatsch! Hat man vorher bei QBs nicht gemacht, wieso es dann hier anwenden? Nehmt die Schärfe raus und bleibt sachlich! Nutzt Kriterien, die bei der Beurteilung aller QBs genutzt werden. Fangt nicht an, euch die Dinge pro oder Contra Tua zu drehen. Nehmt euch in puncto Polemik zurück. Dann ist eine faire Beurteilung am Ende der Saison möglich. Darin sollten weder die Namen Marino noch Bortles eine Rolle spielen. Sondern einzig und allein der Name Tua Tagovailoa. Der dann hoffentlich mit Ring um den Finger. Träumen darf man ja…
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