Stehen die Dolphins vor der Quarterback-Gretchen-Frage oder alles „Waller Krise“ in Miami?

WAS: NFL WEEK 8: MIAMI DOLPHINS (1-6) @ ATLANTA FALCONS (3-3)

WANN UND WO: Sonntag, 26. Oktober, 18 Uhr deutscher Zeit, Mercedes-Benz-Stadium, Atlanta/GA

WIE ZU SEHEN: Mit dem NFL Game Pass von DAZN; andere Übertragungen sind nicht vorgesehen

Nach der Rückkehr aus den USA und zwei Niederlagen live vor Ort im Gepäck konnte man noch etwas Hoffnung haben. Diese wurde dann durch das letzte Wochenende in Cleveland schwer erschüttert. Wenn man heute einen Strich unter die bisherigen Leistungen der Saison ziehen müsste, es gäbe nur eine positive Sache: wie gut, dass die Jets Jets-Dinge tun und noch schlechter sind. Die Miami Dolphins – und damit meine ich fast alle Ebenen – präsentieren sich in diesen Wochen mehr denn je als die Lachnummer der Liga und geben eine zum Teil verheerende Außendarstellung ab. Eigentlich hätte man nach dem Auftritt in Ohio eine (auch personelle?) Reaktion erwarten können, die aber ausblieb. Vertraut man den diversen US-Medien, ist es aber keine Frage mehr des ob, sondern nur noch des Wann, wenn sich die Dolphins zumindest von ihrem Headcoach trennen werden. Zunächst einmal gilt es aber, eine sportliche Reaktion auf den letzten Sonntag zu zeigen – und dies möglichst schon in der Stadt der Olympischen Spiele von 1996.

Ein kurzer Blick in die Historie des Duells

Generell gesehen liegt den Dolphins der kommende Gegner ziemlich gut, wurden von 14 Duellen doch bisher neun gewonnen. In Atlanta selber behalten die Fins auch mit 3-2 Siegen die Oberhand, das letzte Duell der beiden Franchises im Hard Rock stadium vor vier Jahren ging allerdings an die Falcons. Mit auslaufender Uhr gelang es Kicker Koo, einen Heimsieg zu verhindern und das Spiel zu Gunsten Atlantas 30-28 enden zu lassen. Das letzte Aufeinandertreffen im Oktober 2017 hingegen ging als das Comeback-game schlechthin in die Franchise-Geschichte der Dolphins ein. Nach einer verheerenden ersten Hälfte und einem schmeichelhaften 0:17 drehte die Truppe auf und ließ 20 Punkte durch den Gegner unbeantwortet. TDs von Kenny Stills und Jarvis Landry, Field Goals vom damaligen Kicker Cody Parkey stellten den Erfolg sicher. QB damals übrigens „Mr. Phlegmato“ Jay Cutler.

Der Elefant im Raum: Was ist diese Saison mit Tua los? Das sieht gar nicht gut aus

Wenn man unken wollte, man könnte die Leistungen des aktuellen Spielgestalters der Miami Dolphins durchaus mit „Smoking Jay“ vergleichen – und das zeigt auch im Vorfeld des Spiels am Sonntag die ganze Misere. Mit knapp 186 passing Yards im Schnitt ist das Team Nummer 27 der Liga. In sieben Spielen lediglich elf TDs durch die Luft. Mit 17 Sacks bestenfalls Durchschnitt in der Liga, aber es geht noch schlimmer – die individuellen stats des hawaiianischen Quarterbacks der Fins sind verheerend. Tua ist in dieser Saison nicht der Tua, der er war und der er sein könnte. In lediglich zwei der acht Spiele mit einer Accuracy von deutlich über 65%, teilweise sogar sehr weit darunter. Es fehlt dem Alabama-Absolventen die Konstanz. Bei einem Passer, der das Spiel über seine Genauigkeit und eben jene Konstanz aufziehen soll. Mit zehn Interceptions gemeinsam mit Geno Smith NFL-führend. Allein in den letzten beiden Spielen gegen die Chargers (3) und bei den Browns (3) sechs Pässe zum Gegner. Es fehlt einem (auch Tua selber?) das Vertrauen, dass er die Offense führen kann. Da neben Tyreek Hill (season ending) jetzt auch noch TE Darren Waller (mindestens vier Wochen auf IR) länger ausfällt und Miamis QB nach eigener Aussage Probleme hat(te), seine Nr.1-Option Jaylen Waddle zu sehen, macht das gegen die statistisch betrachtet zweitbeste Defense der Liga wenig Hoffnung.

Ist aber ein QB-Wechsel, so wie ihn HC McDaniel im vierten Quarter gegen die Browns vorgenommen hatte, auch auf der starting-Position denkbar? Versucht man jetzt, den Siebtrunden-Pick Quinn Ewers zu evaluieren und baut ihn als Hoffnungsträger auf? Das wird auf keinen Fall passieren. Denn mit einem solchen Schritt würde der Coach seine eigene Entlassung unterschreiben. Er hat sich stets zum Hawaiianer bekannt, ihm den Rücken gestärkt und verteidigt. Sein Schicksal ist (auch) mit Tua verbunden. Tagovailoa gibt dem Team immer noch die größte Chance zu gewinnen, wenn er und nicht Ewers under Center steht. Gerade im Vorfeld des Spiels im Mercedes-Benz-Park ist es eher ratsam, dem starting QB gut zuzureden und ihm Selbstvertrauen einzuimpfen, dass er in der Lage ist, das Ruder wieder in eine ruhigere Richtung zu lenken. Schließlich geht es nach der Saison für mindestens einen der beiden (Tua) um seine Zukunft in Miami. Ob Mike McDaniel die noch hat, steht in den Sternen. Einige beat writer hätten ihn sicherlich nach dem Spiel in Cleveland schon entlassen. Nun blicken alle gespannt auf das, was McDaniel und Tua in dieser Woche als Rekation auf das schlechteste career game von Tagovailoa so aus dem Hut und der Trickkiste zaubern werden. Es würde sicherlich keinen wundern, wenn die Krise des Hawaiianers auch ohne Darren Waller („Waller Krise“) fortgesetzt würde. Aber auch ohne die aktuelle Krise wäre das Aufeinandertreffen mit den Falcons für einen QB reichlich undankbar (frag mal bei Buffalos Josh Allen nach…)

Nur 141 Yards im Schnitt durch die Luft lässt das Team von HC Raheem Morris zu, in total als einzige Franchise unter 1000 Yards Passing erlaubt, im Schnitt eine INT pro Spiel – A.J. Terrell, Mike Hughes, Xavier Watts und Co. stellen eine sehr starke Secondary, bei der es schwer werden dürfte, durch die Luft die Drives am Laufen zu halten. Gerade, wenn Accuracy und Ruhe fehlen. In Kombination mit dem pass rush der „Falken“ ist das eine heftige Kombo. Fünf Spieler besitzen mindestens 1.5 sacks in den bisherigen sechs Spielen mit Zach Harrison (3.5) als Leader der Gruppe – der Druck kann also auf mehrere Schultern verteilt werden. Bei Miamis zum Teil wackliger und brüchiger O-Line wird es auf einen arbeitsreichen Tag hinauslaufen.

Apropos Laufen: wer sich jetzt hier viel ausrechnet, dem sei die Statistik ans Herz gelegt. Die Laufverteidigung Altantas rund um Zach Harrison,den Nigerianer David Onyemata oder Oghenerukevwe „Ruke“ Orhorhoro bewegt sich auch auf diesem Niveau recht ansprechend. Zwar geben sie im Schnitt 124 Yards pro Spiel ab – das ist aber immer noch mindestens average in der Liga. Da das running game der Fins Platz 26 der Liga ist und in weiten Teilen nur aus Devon Achane besteht (472 von insgesamt unter 650 Yards kommen alleine durch den 24-jährigen RB), deutet wenig auf eine high scoring Offense Miamis hin. Tua stabilisieren, das Laufspiel etablieren und die Drives nicht durch unnötige Strafen noch schwerer machen als ohnehin schon – drei der offensiven Takeaways vor Sonntag. Die Gegner der Atlanta Falcons haben im Schnitt 20 Punkte gemacht. Es spricht wenig dafür, dass die Dolphins diese Marke werden übertreffen können, zumal man selber im Schnitt nur eben jene 20 Punkte aufs Board bringt. Rückgriff in die Historie: im letzten Spiel bei den Falcons erzielte Miami 20 Zähler – hier scheint das Ergebnis also bereits festzustehen…

Wenn die Offense also nicht liefert, Tua strugglet und dem gesamten Playcalling über WR screens hinaus irgendwie der Esprit fehlt, es nicht viele Punkte geben dürfte – ja dann kommt es auf die Defense der Miami Dolphins unter DC Anthony Weaver an. Ein Mannschafts-Teil, der die an ihn gestellten Anforderungen und Erwartungen bisher nicht erfüllte, auch im letzten Spiel nicht. Wer sich von den Cleveland Browns 31 Punkte fängt, der hat defensiv ein Problem. Fairerweise muss man hier aber den Pick 6 abziehen und sollte den letzten TD aufgrund einer weiteren INT nur bedingt werten. Nichtsdestotrotz sind drei rushing TDs von Cleveland ein deutliches Indiz dafür, wo es hapert. Im Schnitt (!) geben die Dolphins 363 Yards ab. Die knapp 200 passing Yards sind zwar nicht gut, aber nicht so schlimm wie vermutet. Warum aber ist das so? Weil sich der Gegner gar nicht dem (geringen) Risiko hingeben muss, den Ball zu werfen. Laufen klappt gegen die Fins doch problemlos. Miami hat bisher 1115 Yards über den Boden bekommen – mit weitem Abstand dead last in der NFL. Das es nur neun kassierte TDs sind, verwundert ein wenig. Rookie Quinshon Judkins (Browns) hat zwar „nur“ 84 Yards erreicht, in den Wochen davor haben aber Kimani Vidal (124 Yards), Rico Dowdle (206 Yards) und selbst Justin Fields den Finger in die Wunde gelegt. Sind wir mal ganz ehrlich: es geht gegen die Falcons nicht mal darum, dass kongeniale Duo Bijan Robinson/Tyler Allgeier zu stoppen – den Schaden begrenzen und die Kreise eingrenzen, würde ja vielleicht schon ausreichen. Da sich aber niemand in der Lauf-Verteidigung positiv hervortut und die „Leistungsträger“ und Veterans der Defense (Zach Sieler – ein Schatten seiner selbst) nicht gerade durch Leistung auffallen, schwant einem Übles. Ein Kritikpunkt, den sich der hoch gelobte DC zu Herzen nehmen muss; leider nicht der Einzige.

Das defensive Konzept sah vor, die schwach besetzte Secondary durch eine gute run D und viel Druck an der Line of scrimmage zu entlasten. Das hat bisher nicht wirklich funktioniert. 14 Sacks lesen sich zwar gut und 45 pressures bzw. 28 QB hits vielleicht auch – wenn aber immer in den entscheidenden Situationen die Überzeugung fehlt, eine Aktion abzuschließen, wird es natürlich für die anderen Mannschafts-Teile eng. Zumal Miami hier in die Top der NFL vorstoßen wollte/sollte, was nicht gelungen ist. Da ist die Defense lediglich bei den 55 missed tackles zu finden – klammert man die Bengals aus, ziemlich weit hinten in der Liga. Das sollte gegen die Atlanta Falcons deutlich besser werden, denn das Ziel sollte es sein, das offensive Spiel in die Hände des gegnerischen Ballverteilers zu legen und sich nicht von Bijan tot rennen zu lassen.

Dennoch produziert das Team aus Georgia hier doch auch recht ansprechend. 228 Yards pro Spiel ist Platz 10 der Liga – das Problem besteht nur darin, diese Zahlen auch aufs Board zu bekommen. 18,3 Zähler im Schnitt werden durch das 34-27 gegen die Commanders ein wenig geschönt. Ansonsten sind 24 Punkte gegen die Bills das Höchste der Gefühle und in Carolina (zero) und San Francisco (10) war die Punkt-Ausbeute doch eher mager. 1368 Passing yards sind Platz 10 – 5 passing TDs hingegen lediglich Platz 30. Michael Penix Jr. hat in Drake London einen #1-Receiver, der das Herz jedes fantasy-Owners höher schlagen lässt – danach ist aber nicht mehr viel geboten. Mooney, Casey Washington, Ray Ray McCloud haben zusammen als targets #4+ keine 300 Yards und null TDs zusammengebracht. Kyle Pitts als target auf TE, eben Drake London sowie RB Bijan Robinson als weiteres Wurf-Ziel – das ist Atlantas Offensive. Wenn es den Dolphins gelingt, diese Spielmacher aus dem Spiel zu nehmen und die Falcons-Offense an der Produktion zu hindern, ist am Sonntag eine positive Reaktion auf das Desaster von Cleveland möglich – wenn auch die eigene Offense eine Reaktion zeigt. Generell darf man keinen Football-Leckerbissen oder high scoring erwarten. Trifft dies auf beide Seiten zu, haben die Dolphins eine Chance. Wenn das Spiel punktereicher wird, sinkt die Gewinn-Wahrscheinlichkeit Miamis rapide. Las Vegas hat die Dolphins als klaren Underdog – aber so deutlich, wie viele meinen, ist das Aufeinandertreffen nicht, ein Sieg Miamis in Georgia ist durchaus im Bereich des Möglichen.

Nur dann – aber noch nicht mal sicher dann – wird es dem Owner nicht auf die Füße fallen, nicht schon personell gehandelt zu haben. Verletzungen hin oder her (die sich bei den Dolphins in Summe und Ausfall-Zeit ja in den letzten Jahren schon häufen. Wer rechnet schon ernsthaft damit, dass wir James Daniels/Jason Sanders in diesem Jahr nochmal auf dem Platz sehen werden), Bilanz hin oder her (die verheerend ist und viele Ursachen hat) – das, was am Auffälligsten ist, ist die Tatsache, dass kein Team auf dem Platz steht. Unser ehemaliger O-Liner und Hall of Fame-Kandidat Richmond Webb sowie der zurück getretene Terron Armstead hatten dies in Podcast-Auftritten schon thematisiert. Die Außendarstellung war am Sonntag bei den Browns schon verheerend. Man lässt das alles so über sich ergehen und spult den Stiefel runter. Man möchte keine Spiele gewinnen, sondern sie offenbar nur nicht verlieren – und das funktioniert nicht. Gewinnen wird man auch bei den Falcons nur, wenn man gewinnen will. Ich bin gespannt, ob sich dies auf dem Platz zeigt. Denn keys to win hin oder her, Duelle wie Waddle-Terrell, Douglas-London, Achane gegen die Falcons run-D und Tua gegen sich selber (?) – alles nicht so entscheidend. Wenn die Miami Dolphins (und auch ihr schwer angezählter Head Coach) Spiele nicht unbedingt gewinnen wollen, werden sie diese Saison nicht mehr viele Spiele nicht verlieren. Dann ist der Rap-Track von Ra’is über die Verletzung des starting TEs hinaus Programm für die Saison der Miami Dolphins. Dann dauert die Ära McDaniel/Weaver/Smith/Grier sicher nicht mehr lange an. Aber seien wir positiv und hoffen wir auf einen positiven Ausgang des Spiels in Georgia. Möglich ist ein W auf jeden Fall, denn die Falcons sind keine Über-Mannschaft.

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