„Aber das Playcalling, das Playcalling“

Was ist ein Playbook, wie entsteht es und was unterscheidet es vom Gameplan? Was ist ein Playcall und warum ist das mit dem Playcalling gar nicht so einfach? Auf diese Fragen möchte der Artikel ein paar Antworten liefern.

Wie entsteht überhaupt ein Playbook?

Wenn jemand Headcoach wird, hat er oder sie in der Regel schon einige Stationen hinter sich.

Er hat alles notiert, was er gut fand, was in bestimmten Situationen oder gegen bestimmte Defensivformationen erfolgreich war. Alles gesammelt.

Wahrscheinlich hat er sich auch für bestimmte Spielzüge Variationen überlegt und aufgeschrieben.

Vielleicht hat er auch selbst Spielzüge designed.

Das alles inklusive der Varianten von bestimmten Grundspielzügen macht locker weit über 1000 Spielzüge aus.

Wenn der Coach sein Amt antritt bringt er die alle als seinen persönlichen Schatz mit.

Und er hat möglicherweise eine eigene „Sprache“ im Gepäck. Die Spielzüge müssen ja schließlcih irgendwie benannt werden. Je nachdem in welchem System er seine ersten Schritte gemacht hat, oder welcher Coach sein Hauptmentor war, oder aus welcher Zeit er die meisten Spielzüge hat, sind da schon bestimmte Sprachen vorherrschend. Allerdings wird er seinem Playbook eine einheitliche Terminologie geben wollen; vor allem, wenn er auch eigene Spielzüge designed hat.

Die Terminologie ist wichtig, damit er seine Spielzüge an den QB übermitteln kann. Der gibt sie im Huddle an das Team und im Idealfall weiß dann jeder wo er sich aufzustellen hat, wen er wie blocken soll, wer wann in motion geht, ob gelaufen wird und wohin, ob gepasst wird und wer der erste Read und wer der Check down ist usw.

Dazu gibt es übrigens im DolphinsDrive Podcast die Folge  „#15 Basic Drive“ von Micho. Er erklärt unter dem Titel „Playcalling“ wie ein einfacher „Playcall“ aufgebaut ist.

Hört mal rein falls ihr euch noch nicht mit dem Thema beschäftigt habt. Dauert nur etwa eine Viertelstunde und hinterher wisst ihr wieder ein bisschen mehr über das tollste Spiel der Welt.

Zurück zum Playbook

So, jetzt kommt also der frische HC mit seinem persönlichen Playbook und seinen darin enthaltenen 1000 oder 2000 Spielzügen in der Stadt an. 

Müssen die Spieler das jetzt alles lernen? Nein!“

Der Coach wird mit dem GM und seinem coaching staff besprechen, welche Grundphilosophie er spielen lassen möchte und welche Plays dafür Kernvoraussetzung wären. Dann schauen sie, ob das Spielermaterial dafür da ist. Nur teilweise? Kann man das mit Free Agents oder im Draft oder mit Trades beheben? Ja? Nein? Kann man Spieler entsprechend entwicken? Ja? Nein? Eventuell fallen dann schon ein paar Ideen raus.

Neben den Spielern, die man selbst hat ist eine Kernfrage: gegen wen spielen wir? Welche Wahrscheinlichkeiten gibt es, dass dem Team bestimmte Defensivformationen der Gegner begegnen werden?

Für das was wahrscheinlich oft gegen die Mannschaft aufgestellt wird, braucht der Coach entsprechende „beater“-Konzepte.

Vom „Monsterplaybook“ des Headcoachs zum Playbook für die Saison:

Nach Grundspielidee, eigenen Spielern und ihren Stärken und zu erwartenden gegnerischen Defensivformationen wählt der Coach jetzt aus seinem Monsterplaybook die Plays aus, die für die kommende Saison eingeübt und verwendet werden sollen. 

Das ist dann das Playbook was an die Spieler ausgegeben wird.

Das Ding ist dann fix. Fertig. Ende. in Stein gemeißelt. Daran wird nichts mehr geändert und auch nichts mehr großartig eingefügt. 

Denn das was da steht, müssen jetzt die Spieler ja noch lernen (inkl. der dazugehörigen Sprache). Dann muss das Ganze auf dem Feld durchgespielt werden („wo stehe ich, wohin laufe ich, was machen wir, wenn die Verteidiger etwas anders stehen?“) und zusätzlich muss auch das dazugehörige Timing verinnerlicht werden.

Werden wir konkret: Die Dolphins haben beispielsweise im „Spaß-Jahr“ 2022 unter Mike McDaniel etwa 45 Grundkonzepte, jeweils aus unterschiedlichen Formationen heraus mit insgesamt 326 Spielzügen ausgeführt (wenn ich mich nicht verzählt habe*).

Hört sich gar nicht so viel an?

Vor allem, weil ja nicht alle Spieler alles können müssen?! Muss denn der Fullback die WR Routen kennen? Nein, natürlich nicht, zumal er bei einer Reihe von Spielzügen mit seiner Position gar nicht auf dem Platz stehen wird.

Im Trainingscamp

Aber bedenkt, der Spieler muss wenn er den Namen des Spielzugs (und etwaige Ergänzungen) hört in Sekundenschnelle wissen, wo er hin muss und was er zu tun hat. Und zwar exakt! 

Spielzüge funktionieren nur, wenn alle wirklich ganz genau ihren Job auf dem Feld machen. Zusätzlich gibt es innerhalb des Spielzugs bestimmte reads die Spieler machen müssen. „Was, wenn der Safety nicht tief steht? Dann muss ich den statt dem LB blocken und der TE nimmt den LB.“ 

So oder so ähnlich müssen die Spieler hochkonzentriert an die Line of Scrimmage gehen. Und natürlich muss das Timing stimmen, wenn ein Shift oder eine Motion vorgesehen sind.

Das alles wird für die etwa 300-350 Spielzüge im Trainingscamp eingeübt.

Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass das bei der kurzen Zeit eines Trainingscamps (Ende Juli bis Anfang September) nachher bei weitem noch nicht alles perfekt sitzt.

Vor allem, wenn entweder der Coach frisch beim Team angefangen hat, oder wenn viele Spieler neu im Team sind.

Eine besondere Herausforderung ist das für die Rookies. Die können nicht auf ihre Erfahrung mit ähnlichen Konzepten aus anderen NFL Teams zurückgreifen.

Vom Playbook für die Saison zum Gameplan für ein Spiel

Jetzt haben wir also ein Playbook mit ca 350 Spielzügen, oder zumindest die Grundlagen dafür im Trainingscamp einstudiert.

Wie entsteht daraus jetzt der Gameplan?

Das Coaching Team wird zuerst einmal schauen, was die kommenden Gegner statistisch gesehen häufig als Verteidigungskonzept spielen. Ist es zum Beispiel eine 4-3 Defense mit viel Manndeckung in der Secondary oder vielleicht eine 3-4 Defense bei dem aber 4 Mann zum QB gehen und dies zu 2/3 vom rechten Outside Linebacker ausgeht?

Der Trainer wird im Playbook die Spielzüge identifizieren und rausschreiben, von denen er und sein Staff glauben, dass sie am meisten Erfolg versprechen gegen das Defensivkonzept was man höchstwahrscheinlich vom Gegener serviert bekommt. Schwupps ist wahrscheinlich gut die Hälfte der 350 Spielzüge im Playbook weg.

Falls von den übrig gebliebenen Spielzügen mache den Einsatz von Spielern benötigen, die laut der Positionscoaches in der Umsetzung des Plays noch Probleme haben, fallen die auch raus.

Gibt es bei den jetzt verbliebenen Spielzügen welche, die der QB nicht mag, oder die er bestimmten Spielern nicht zutraut? Die Zahl wird wieder kleiner.

Am Ende werden in den Gameplan vielleicht 35 Plays aufgenommen. Mehr nicht.

Denn man kann in einer Woche sowieso nicht viel mehr einüben.

Der Coachingstaff sortiert jetzt diese ca. 35 Plays noch nach Down und Distance (was machen wir beispielsweise bei 1st und long, was bei 2nd und mittel usw), erstellt sich daraus eine Art Tabelle als Sheet für den Spieltag und dann wird trainiert, denn die Zeit ist knapp.

Wenig Zeit zum üben.

In einer normalen Woche beschäftigen sich die Spieler montags mit der Filmanalyse des letzten Spiels vom Sonntag und machen ihr Behandlungs- und Regenerationsprogramm, um den Körper halbwegs wieder auf die Reihe zu kriegen. 

Dienstags haben sie in der Regel frei.

Die Coaches arbeiten an diesen beiden Tagen unter Hochdruck an der Analyse des kommenden Gegners und dem darauf zugeschnittenen nächsten Gameplan.

Mittwochs werden die ersten Plays des taufrischen Gameplans dann erstmals trainiert. Außerdem werden die audibles für den kommenden Spieltag geübt. Also: unter welchen Bedingungen werden Spielzüge an der Line of Scrimmage gekillt und wie sagt der QB die Ausweichspielzüge (welche) an?

Donnerstags werden die Aufnahmen vom Mittwochstraining angesehen, Anpassungen gemacht und daran gearbeitet besser zu werden. Viele Coaches legen hier Wert auf spezielle 3rd Down Plays.

Freitags gibt es ebenfalls ein recap vom Vortag und eine etwas kürzere Trainingseinheit bei der gerne noch mal die Plays geübt werden, die mit der höchsten Wahrscheinlichkeit am kommenden Sonntag benötigt werden. 

Häufig wird auch die für das nächste Spiel angedachte Two Minute Offense geübt.

Samstags findet am Morgen noch ein  leichtes Training statt und bei einem Auswärtsspiel geht es danach schon in den Bus/Flieger. Bei einem Heimspiel trifft sich das Team am Nachmittag oder Abend für die Abschlussbesprechung.

Zum Einstudieren des Gameplans stehen also eigentlich nur drei Tage zur Verfügung und die Trainingszeiten sind durch die Spielergewerkschaft streng reglementiert. Ein Coach kann also nicht nach Belieben noch ein Stündchen dranhängen, weil irgendetwas noch nicht so sitzt, wie er es sich vorstellt.

Zwischenfazit:

Wir halten bis hierhin noch mal fest:

Ein Headcoach hat ein Repertoire von locker 1000 Spielzügen und mehr in seinem persönlichen Playbook.

Davon werden vielleicht 300-400 als DAS Playbook für die Saison an die Spieler herausgegeben.

Jede Woche Montag/Dienstag werden davon 30-40 Plays für den Gameplan des kommenden Spiels ausgewählt.

Zum Üben des Gameplans inklusive 2 Minute Offense und audibles stehen etwa drei Trainingstage zur Verfügung(Mi/Do/Fr).

Das Playcalling im Spiel

Wenn die eigene Offense auf dem Platz steht, gibt der Playcaller dem Quarterback den Spielzug durch. Das ist dann in der Regel einer der ca. 35 Spielzüge, die während der Woche speziell für das Spiel gegen den aktuellen Gegner geübt wurden.

Der QB gibt den Spielzug ans Team weiter und alle wissen (theoretisch) Bescheid, was zu tun ist.

Mismatches sind gut (zumindest aus Sicht der Offense)

Bei der Auswahl der Spielzüge kann es ein Ziel sein sogenannte mismatches zu kreieren. Also deinen grossen X-Receiver im 1:1 gegen einen kleinen Cornerback zu haben. Oder deinen schnellen Receiving TE gegen einen trägeren LB zu stellen. Oder die Schnittstelle zwischen den kurzen und den tiefen  Zonen bei einem unerfahrenen Safety anzusteuern. So was in der Art. Jedes Playbook in der NFL enthält solche Spielzüge. Aber Achtung nicht immer funktioniert alles wie geplant.

In einer Cover 2 Zonendeckung kann man es gut probieren den TE einen Slant oder auch eine Corner Route nach innen laufen zu lassen. Findet man aber eine Manndeckung und der Nickelcorner steht bereits mit inside leverage ist die Erfolgschance eher gering.

Stress ist gut

Eine gute Strategie ist es auch den Verteidigern den Stress einer Entscheidung aufzudrücken. In einer Zonendeckung können zum Beispiel zwei Receiver in/durch die gleiche Zone geschickt werden. Einer im vorderen Bereich der Zone, einer im beispielsweise im hinteren Bereich. Der Verteidiger muss sich jetzt entscheiden, wen er laufen lässt und welchen der beiden Angreifer er decken will.

Nehmen wir einmal an, unser Coaching Staff hat bei der Videoanalyse festgestellt, dass das gegnerische Team  in dieser Situation die Tendenz hat den vorderen Angreifer durch den CB decken zu lassen und sich für den hinteren Angreifer auf den Safety zu verlassen. Dann könnte man vom Playdesign her einen dritten Receiver mittig tief schicken, um dem Safety ebenfalls einen Entscheidungsstress aufzuerlegen („gehe ich nach vorne zu dem Typ im hinteren Teil der vorderen Zone, oder decke ich den, der durch die Mitte hochgeschossen kommt?“). Damit wird dann aus Sicht der Angreifer eine gute Wahrscheinlichkeit für einen freien Passempfänger geschaffen.

Verwirrung ist auch gut

Eine wesentliche Voraussetzung für solche erfolgreichen Spielzüge ist Verwirrung.

Falls unser Team immer wieder die Masche mit den zwei Receivern in einer Zone und dem dritten Receiver tief spielt, dann wird die Defense darauf reagieren. Der Safety wird sich früh  zum hinteren Zonenangreifer orientieren und der zweite Safety wird die tiefe Mitte decken.

Also muss der Offensive Playcaller variabel agieren, um nicht ausrechenbar zu werden.

Dabei helfen zwei Grundprinzipien:

Gleicher Look – unterschiedliche Plays („Höhö, die denken, jetzt kommt wieder dieser Spielzug, wir tun aber nur so indem wir uns genau gleich aufstellen und dann machen wir was ganz anderes.“)

Gleiches Play – unterschiedlichen Looks („hey, der Spielzug hat funktioniert, wir machen den nochmal, stellen uns aber anders auf, damit die nicht gleich merken was wir vorhaben.“)

Hier mal ein Beispiel aus der Realität für Letzteres. Ein sogenanntes Counter Play das die Fins 2022 insgesamt 14x verwendet und dabei durchschnittlich durchschnittlich 6,1 Yards gewonnen haben.

Bei diesem Spielzug täuscht der Running Back nach rechts an, läuft aber dann mit dem Ball über die linke Seite.

Hilfe bekommt er vom rechten Guard, der ebenfalls nach links geht um den gegnerischen Defensive End aus dem Spiel zu nehmen und dem Tight End, der auch nach links rennt, um einen weiteren Verteidiger zu blocken.

Die Dolphins haben den Spielzug jedoch nicht immer  nicht immer aus dem gleichen Look heraus gespielt.

Hier eine andere Variante des gleichen Spielzugs. 

Wie ihr auf dem Bild erkennen könnt, sieht die Formation vor dem snap ganz anders aus. Es ist nicht mal das gleiche Personal auf dem Platz. Im ersten Beispiel laufen die Fins aus 11 personnel (1 Running Back, 1 Tight End), in der zweiten Variante steht 21 personnel auf dem Platz, also 2 Running Backs (Fullback und Halfback) und 1 Tight End. Der Laufweg des Ballträgers und die Blocks sind aber absolut die gleichen, nur dass in der zweiten Variante jetzt der Fullback den Block übernimmt, den im ersten Beispiel der Tight End gemacht hat.

Das gleiche Play aus unterschiedlichen Angriffsformationen macht es also für Verteidiger schwer zu erkennen was da auf sie zu kommt.

Im Prinzip gilt das auch andersrum. Stell immer wieder mal die gleiche Formation hin und mach jedes Mal einen anderen Spielzug daraus um das Verwirrspiel zu optimieren.

Für den offensiven Playcaller ist das allerdings auch eine Herausforderung. Er muss gut im Auge behalten, was er schon gemacht hat und wie gut es jeweils funktioniert hat. Dabei hilft ihm sein Chart in dem seine Spielzüge nach Down und Distance sortiert sind und wir sehen im TV oft, wie der Coach einen Spielzug abstreicht und das Ergebnis notiert.

Mehr Respekt für die Playcaller

Wer kennt ihn nicht, den Sofa Coach?

„Das Playcalling ist sooo schlecht.“ „Der Headcoach hat wieder mal keinen Plan B.“ „Der muss jetzt mal das Playbook öffnen.“ „Mit dem Backup QB als Starter muss er anders spielen lassen.“ und so weiter und so weiter.

Alle die gerne so schrei(b)en: Erinnert euch – das Team ist mit plusminus 35 eingeübten Plays zum Spiel angetreten. Gegen Ende der Saison sind vielleicht ein paar Spielzüge mehr im Repertoire, weil sie wiederholt für vorangegangene Spiele benötigt worden sind.

Damit gibt es gar nicht so viele „Plan B Varianten“. Der Gameplan enthält die Spielzüge, von denen sich die Coaches den meisten Erfolg gegen den aktuellen Gegner versprechen. Dafür haben sie stundenlang am Montag und Dienstag Film geguckt. Dabei kann man sich natürlich auch gehörig „verscouten“.

Begrenzte Reaktionsmöglichkeiten

Oft kann ein Coach gar nicht reagieren. Er hätte zwar ein paar Spielzüge aus dem Playbook im Kopf, aber das hilft ihm nichts, wenn sie nicht mit den Spielern unter der Woche einstudiert wurden.

Oder er hat eigentlich gute Spielzüge in den Gameplan eingebracht, die kommen aber nicht zum tragen, weil eigene Schlüsselspieler von ihren Gegnern dominiert werden. Der Guard, der immer Hilfe vom Center braucht, weshalb dieser dann nicht downfield blocken kann und alle Runs durch die Mitte nach 2-3 Yards statt nach 7-8 Yards stecken bleiben. Der Wide Receiver, der die Route kennt, aber keine separation gegen den Elite Corner schafft.

Bestimmte Spielzüge, die zwar im Gameplan enthalten sind kommen so nicht zum Zug (oder sind ineffektiv).

Verletzungen nehmen nicht nur Spieler weg, sondern auch Spielzüge

Ein weiterer Faktor sind die Verletzungen die während der Saison geschehen.

Zur Erinnerung, die Plays im Playbook werden nach den Vorlieben/Stärken der gegnerischen Defense UND den Stärken der eigenen Spieler zusammengestellt.

Wir erinnern uns zum Beispiel noch gut an die „Cheat Motion“. Die Motion, bei der Tyreek Hill parallel zur Line of Scrimmage fullspeed rennt, um dann mit dem snap abrupt auf seine Route einzuschwenken. Ein sowieso schon extrem schneller Hill, der auch noch mit Anlauf angezischt kommt ist quasi nicht zu verteidigen. Hier wird Speed maximiert und die Idee ist eindeutig an der Geschwindigkeit der Dolphins Receiver ausgerichtet. Wenn Hill angeschlagen ist oder gar verletzt fehlt, dann schrumpft der Wert der Cheat Motion ganz gewaltig und Plays die sie enthalten, werden eventuell gar nicht in den Gameplan aufgenommen. 

Mit und ohne Tua

Als Dolphins Fans sind wir auch leidgeprüft durch Tuas Verletzungen. Mit den Backup QBs war die Offensive bei weitem nicht so effektiv wie mit Tua. Das Playbook mit viel Speed, Motions, Shifts, RPO-artigen reads und anticipation throws erfordert perfektes Timing und ist eben primär auf Tuas Stärken ausgelegt und nicht für einen Backup zusammengestellt worden. 

Der Coach kann jetzt auch nicht einfach 200 oder 250 Plays aus dem Playbook rausschmeißen und dafür 200 andere aus seinem persönlichen 1000er Monsterplaybook reintun. Dann stünde er mit dem ganzen Team wieder da, wo die Mannschaft im Juli war.

Besonders auffällig war das in der 2024er Saison mit Tyler „Snoop“ Huntley. Der ist mobil und hätte sich z.B. angeboten für designte QB-Runs. Geht aber nicht. Solche Plays existieren wahrscheinlich einfach nicht in einem auf Tua ausgelegten Playbook.

Da können wir Sofa Trainer noch so laut nach „Öffnung des Playbooks“ schreien; Playbook öffnen ging nicht – da war einfach nichts drin für Huntley. Der musste sich also rein arbeiten in das komplexe Timing und die ultraschnell geworfenen Pässe. Und die Coaches mussten ebenfalls erst mal herausfinden mit welchen Spielzügen der Snoop so einigermaßen klar kommt.

Gedankensalat

Ja, das gibt es. Auch Headcoaches (oder OCs wenn sie die plays callen) können sich in ihren eigenen Gedanken verheddern.

Da wird noch an der Sideline versucht alle möglichen „Was wäre wenn“ Gedanken einzufangen während man auf dem Playsheet hektisch einen Spielzug für 2nd & 10 sucht und gleichzeitig überlegt, wie oft wir schon gelaufen sind und ob ein Lauf jetzt ein Überraschungsmoment wäre, weil bei 2nd und long die gegnerische Defense bestimmt mit einem Pass rechnet, aber einen guten run haben wir im sheet nicht unter 2nd und long, wo habe ich bloß diesen einen speziellen Jetsweep notiert, wieviel Zeit ist noch auf der Uhr, eagl, wir spielen „SeaMammals“, der funktioniert immer, ah shit, dafür brauche ich aber anderes personnel auf dem Platz, Zeit reicht jetzt nicht mehr zum Spielerwechsel, wir nehmen den „CheetahCheater“, oh, nur noch 8 Sekunden, das reicht nicht mit der Motion, „Tua, listen, „i counter left“, hurry up“. Dummer call.

Sowas passiert routinierten Coaches seltener und jungen eher Mal. Wir haben das in Miami bei Adam Gase gesehen, der sich in „die denken bestimmt, also mache ich..:“ verzettelt hat und denkwürdig lange runs bei 3rd down gecalled hat. Auch Mike McDaniel hat in seinen ersten Saisons die Playcalls oft so spät reingegeben, dass die Spielzüge zu Hektik auf dem Feld oder penaltys geführt haben.

Trotzdem. Meistens haben die Coaches mehr gesehen als wir und versuchen darauf Antworten zu finden. Manchmal irren sie sich, manchmal kommen große Sportmomente dabei heraus.

Also lasst uns ruhig zusammen jubeln oder schimpfen, wir dürfen das, wir sind Fans. Aber lasst uns nicht vergessen, dass das Ganze oft viel komplexer ist, als wir es uns vorstellen und lasst uns vor allem nicht so tun, als wüssten wir es besser. 

Wer jetzt etwas Lust auf das Thema bekommen hat, findet leicht verdaulich und unterhaltsam, viel mehr Details zum Beispiel im Buch „Schau nicht auf den Ball“ von Pat Kirwan oder im „Gamechangers“ Podcast mit Fullback Jakob Johnson und Linebacker Mark Nzeocha. 

*Bobby Peters, The 2022 Miami Dolphins Complete Offensive Manual

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