
Nachdem sich der Owner der Miami Dolphins und sein langjähriger GM Chris Grier auf eine Auflösung des Vertrags geeinigt haben (offiziell „mutually agreed to part ways“, kein „release“), stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage, wie es bei der Franchise aus Florida weitergehen soll. Als erster Schritt wurde interimsweise Champ Kelly als GM installiert. Der ist zwar erst knapp 45 Jahre alt, kann generell aber Abschlüsse in „Computer science“ und business administration vorweisen. Im Football-Geschäft ist er nach einer relativ kurzen, semi-professionellen, Karriere als CB und WR in der National Indoor Football League auch in ausführender Funktion tätig.

Die Karriere von Champ Kelly hat durchaus Parallelen zu der von Chris Grier. Auch er begann seine Zeit im Scouting-Bereich, 2007 bei den Denver Broncos. Bereits ein Jahr später stieg er zum Assistenten in diesem Bereich auf. Ob das am relativ guten Draft in diesem Jahr lag, darf man zumindest überlegen. Denver konnte hier nämlich zwei langjährige O-Liner und WR Eddie Royal „finden“. Zwischen 2010 und 2014 war er bei der NFL-Franchise in Colorado dann als Assistent für die Belange der Profis zuständig, „assistant director of pro personell. 2015 wechselte er von Denver nach Chicago, um dort das Pro Scouting zu leiten. Dort war er, auch wenn das für die Bears nur bedingt galt, einigermaßen erfolgreich. Roquan Smith, James Daniels, Mitch Trubisky oder Cole Kmet sind nur einige Namen, die sein gutes Auge unterstreichen könnten. Dies fiel 2022 auch den Raiders auf, die ihn bis 2024 zum assistant GM ernannten. Während dieser Phase konnte er bereits einige Erfahrungen als „Interims-GM“ sammeln, bevor ihn im Feburar diesen Jahres die Dolphins als „senior personnel executive“ engagierten. Er sollte, so war damals zu lesen, Chris Grier und Marvin Allen in allen Bereichen helfen und die beiden unterstützen. Nun soll er also mehr als das tun und Miami durch die Trade deadline und Saison führen, bis eine tragfähige Lösung für die nächsten Jahre gefunden ist.

In welche Richtung wird es gehen? Drei (mögliche) Ansätze
- Die interne Lösung
Nun könnte sich Stephen Ross in erster Linie im eigenen Stall umsehen. Chris Griers Assistent Marvin Allen könnte zum Chef „befördert“ werden. Gegen die Lösung spricht allerdings die fehlende Erfahrung in diesem Bereich und die Tatsache, dass man diesen Schritt schon ohne Champ Kelly hätte durchführen können. Es ist natürlich ebenso denkbar, dass man die Rolle des GMs bei Kelly belässt oder als dritte interne Variante Brandon Shore, den „Senior Vice President, Football & Business Administration“ mit der Aufgabe betraut. Shore ist eher das Zahlengenie und der Analytiker im Hintergrund und wäre eine klassische „Business solution“ auf der GM-Position. Ich halte das durchaus für denkbar, wenn auch nicht die optimale.

2. Die „externe General Manager“ – Lösung
Eine zweite Variante, die Ross und sein Team einschlagen könnten, ist ebenso wenig wahrscheinlich wie eine interne Lösung – aber auch sie steht zumindest als Option im Raum und ist nicht ausgeschlossen: sich abseits des Footballs nach einem Kandidaten umzusehen, der diese Rolle in einer der anderen Profi-Ligen bereits durchgeführt und diese Franchises erfolgreich aufgestellt hat. Denn Kandidaten wie z.B. ein Stan Bowman (Emdonton Oilers), Don Sweeny (Boston Bruins, beide NHL), Andy Elisburg (Miami Heat) oder Jon Horst (Milwaukee Bucks, beide NBA) sind nicht nur reine Spezialisten in „ihrem“ Sport, sondern stehen zudem langjährig unter Vertrag – eben weil sie auf diesem Gebiet eine sehr gute Arbeit leisten. Am Wahrscheinlichsten ist daher die dritte Variante: sich in der NFL bei anderen (erfolgreichen) Franchises umzusehen.
3. Das Abwerben eines anderen GMs oder die „externe Beförderung“ eines Assistant GM einer NFL-franchise

Keine Sorge, es wird jetzt hier keinen Case geben, man möge doch den Vorgänger von Chris Grier wieder zurück holen. Mike Tannenbaum dürfte kein Kandidat bei den Miami Dolphins sein. Zumindest wäre das eine sehr starke Überraschung und würde die Franchise schon zu Beginn schocken ^^
Am Wahrscheinlichsten ist die Option, sich in der NFL nach einem geeigneten Kandidaten umzusehen. Hierfür scheint es wahrscheinlich, dass sich Stephen Ross in erster Linie davon leiten lässt, wer in der Lage war oder ist, eine Football-franchise von Grund auf aufzubauen, einen Rebuild umzusetzen und die Mannschaft erfolgreich (wahrscheinlich auch längerfristig) aufzustellen. Einen erfolgreichen, aktuell bei einer anderen erfolreichen franchise tätigen, GM abzuwerben, ist beinahe unmöglich. Viele stehen schon seit Langem bei einer franchise und bei der dann langfristig unter Vertrag und möchten ihre Arbeit sicherlich auch dort fortsetzen. Ein Brandon Beane (Bills, Vertrag bis 2027) oder Brad Holmes (Lions, sowie Colts-GM Chris Ballard (beide bis 2026) sind da schon eine Ausnahme; ob die sich allerdings den Dolphins anschließen würden, erscheint doch eher fraglich. So wird man sich der Variante bedienen, einen der Assistenten der erfolgreichen GMs versuchen abzuwerben und den mit einer Beförderung im Sunshine State zu ködern. Da gehen die Optionen von den Stellvertretern bei den Eagles, den Packers, den Chiefs, den Steelers (eben die nachhaltig erfolgreichen Franchises). Hierzu gibt es natürlich X Möglichkeiten. Exemplarisch wird hier auf einen Assistant GM und einen ehemaligen GM als mögliches Ziel hingewiesen.
Als erste (lokal in der Nähe von Miami beheimatete) franchise muss einem da Tampa Bay ins Auge fallen. Hier hat es Jason Licht geschafft, aus einem Team mit einer 2-14-Bilanz binnen fünf Jahren einen SB-Champion zu formen und mehr oder minder erfolgreich in der NFC South zu etablieren. Das er seine NFL-Tätigkeit als Scout für die Dolphins begann, ist ein fun fact nebenher. Leider hat Licht – und das ist die red flag bei Jason Licht – in diesem Jahr eine multi-year contract extension unterschrieben. Den wird man also kaum bekommen können.
Es wäre also eventuell förderlich, statt bei Licht bei dessen Assistenten Mike Greenberg anzufragen und ihm den GM-Posten anzubieten. Greenberg gilt in der Liga als einer der Experten, was cap space und Verträge betrifft. Er ist es nämlich, der die Verträge und die Cap-Situation der Buccs sehr deutlich im Blick behält und bei dem „retaining our own“ im Vordergrund steht – ein Aspekt, der bei den Miami Dolphins in den letzten Jahren immer etwas zu kurz kam. Wo man mit einem fitten Wilkins, Jevon Holland, Robert Hunt, Andrew van Ginkel – um nur einige zu nennen – stehen würde, wenn man das mit dem cap in Einklang hätte bringen können, mag man sich besser nicht ausdenken. Greenberg ist auf jeden Fall eine ernsthafte Variante, die Stephen Ross bedenken sollte. Er stand auch diverse Jahre immer mal wieder bei den Jets und anderen franchises auf der Liste der möglichen Kandidaten für den GM-Posten, hat es aber immer wieder abgelehnt, die Bucs zu verlassen. Vielleicht sind ihm unter 300 Meilen ja als Argument genug, sich doch mit Mr. Ross zu unterhalten und bei den Dolphins anzuheuern.

Eine zweite Lösung wäre die Personalie Kevin Colbert. Der 68-Jährige ist zwar vor einigen Jahren aus der ersten Reihe der GMs der NFL zurückgetreten und derzeit als senior consultant für die University von Colorado State zuständig. Aber: auch er hat eine Miami-Vergangenheit (1985-89) und hat zwischen 2010 und 2022 erfolgreich die Geschicke der Pittsburgh Steelers geleitet. Er wäre in erster Linie – wenn er denn möchte – kurzfristig verfügbar und hat gezeigt, dass es möglich ist, eine gewisse sportlich konstante Relevanz aufrechtzuerhalten. Fände ich persönlich eine durchaus spannende Personalie.

Das ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt, was und wer als Nachfolger von Chris Grier möglich wäre. Der Miami Herlad hat eine individuelle Liste erstellt (https://www.miamiherald.com/sports/nfl/miami-dolphins/article312733076.html), die sich weitgehend mit der von Sports Illustrated deckt (https://www.si.com/nfl/why-dolphins-fired-chris-grier-first-possible-replacements). Natürlich steht da der Name Mike Greenberg mit drauf, der von Colbert (weil ja eigentlich zurückgezogen) nicht.


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