„Es kommt im Leben nicht darauf an wie viel du austeilst, sondern darauf, wie viel du einstecken kannst!“ – was Rocky Balboa mit Gameweek 7 zu tun hat

WAS: NFL Spieltag 7, Miami Dolphins (5-1) @ Philadelphia Eagles (5-1)

WANN UND WO: Nacht von Sonntag auf Montag, 23.10.2023, 02:20 Uhr im Lincoln Financial Field, Philadelphia/Pennsylvania

WO UND WIE ZU SEHEN: zu sehen ist das Spiel in Deutschland exklusiv bei DAZN (mit Andreas Renner/Ingo Seibert) und im Game Pass.

Neue Woche, neues Spiel der Miami Dolphins. In sicherlich DEM Aufeinandertreffen des siebten Spieltags treffen die Fins nach zwei doch recht souveränen Heimsiegen gegen die NFC-Teams der Giants und der Panthers auf den derzeit Zweitplatzierten der anderen Conference, die Philadelphia Eagles. Gerade für das Heimteam bekommt das Spiel eine besondere Bedeutung, da die Mannschaft aus der Stadt der „brüderlichen Liebe“ und Standort der Liberty bell in diesem Spiel die „Kelly Green week“ zelebriert und in neuen Throwback jerseys antreten wird. Eine zusätzliche Motivation, die sich auch auf Miami auswirkt – diese werden dann wohl in all white jerseys spielen (müssen).

Da sich auch die Mannschaft aus dem Süden Floridas in der AFC auf dem zweiten Platz befindet, also das Duell zweier bislang nur ein mal besiegter Teams der Liga. Während allerdings Miami siegen konnte, mussten die „Adler“ ihr letztes Spiel bei den New York Jets als Verlierer vom Platz gehen. Doch wer nun daran glaubt, dass sich die Mannen von HC Nick Sirianni, der mit seiner durchaus emotionalen Art einen ähnlichen Eindruck hinterlassen hat wie dies McDaniel in Miami getan hat und bis heute tut, im Sinkflug befinden, der sollte sich die Story des angeschlagenen Boxers vergegenwärtigen. Auch Rocky Balboa kassierte oft und steckte ein, um in den wichtigen Duellen doch meistens den Ring als Sieger zu verlassen. Ob allerdings die Miami Dolphins als Inkarnation von Apollo Creed taugen, mag man bezweifeln. Immerhin war dessen Darsteller, Carl Weathers, selbst professioneller Footballer und spielte in seiner Film-Karriere unter anderem bei Happy Gilmore den Golf-Trainer „Chubbs“ Peterson.

Stärke trifft auf noch größere Stärke – das Duell an den Lines

Die Verbindung von Philadelphia zu Bradley Chubb ist offensichtlich ziemlich weit hergeholt. Weitaus näher liegt das erste entscheidende Duell, welches die deutschen Zuschauer in der Nacht von Sonntag auf Montag erwartet: Eigentlich sollte es das Ziel der Dolphins Defensive Line – unter anderem eben von Chubb – sein, den gegnerischen QB unter Druck zu setzen und zu ihm durchzukommen. In der Theorie wären die Edge rusher, angeführt von Andrew van Ginkel, eben Chubb und Emanuel Ogbah dazu in der Lage. 21 Sacks, davon je vier durch van Ginkel und den DT Christian Wilkins, sind der drittbeste Wert der Liga. Das Problem ist nur: erstens gelang dies anderen Teams bei den bisherigen sechs Spielen nur vierzehn mal. im Gegenteil: laut Next Gen Stats ist Jalen Hurts der QB, der mit knapp 3.1 Sekunden im Durchschnitt am meisten Zeit zum Werfen bekommt. Wenn er aber unter Druck gerät, stottert die Maschine. Gegen die Jets musste der Absolvent der University von Oklahoma sagenhafte 21 pressures und zwei Sacks auf sich nehmen. Da musste aber auch LT Lane Johnson früh vom Feld, der gegen die Dolphins wohl wieder fit zu sein scheint. Er wurde nach einer vollen Trainingseinheit für das Spiel bereits bestätigt. In Verbindung mit Star-Center Jason Kelce, Tackle Jordan Mallata und Guard Landon Dickerson bildet eben jener Veteran eine Protection, die sich in die Top drei der Liga einordnen lässt. Eine harte Prüfung also für die Defense der Dolphins, auf die aber noch weite Aufgaben warten, wenn man das Spiel im Lincoln Financial Field eng halten möchte

Die zweite schwere Aufgabe, die auf die Defense der Dolphins zukommt, ist es, die Wege der Eagles-RBs und des mobil-scrambelnden QBs Jalen Hurts zu begrenzen – das Zauberwort lautet hier (mal wieder) Containment. Denn hier trifft Stärke auf die Schwäche der von Vic Fangio gecallten Dolphins-Defense. Die ist nicht nur gegen die Chargers freigiebig in Sachen Lauf-Verteidigung. 114,5 Yards lässt Miami im Schnitt zu – und diese Werte lassen die Höhe der Hürde erkennen, die die zweitbeste rushing Offense der NFL aufgebaut hat. Es droht ein Spiel wie gegen LA an Spieltag 1 – D´ Andre Swift (450+ Yards, 2 TDs) und Jalen Hurts mit seinen Füßen (253 Yards, 5 TDs) sind dazu sicherlich ähnlich gut in der Lage wie ein Ekeler und Justin Herbert (wobei der im Spiel gegen die Fins eher weniger gerannt ist als Hurts dies in der Regel tut).

Das Ganze wird in der Theorie unterstützt durch eine auf durch die Luft sehr gefährliche Offense. Allerdings bestehen die Anspiel-Stationen lediglich aus „nur“ DeVonta Smith – der in den letzten Wochen eine schwere Phase durchlebt und unter „Holzhänden“ und unnötigen Drops leidet – , dem vielfach auch im Blocking benötigten TE Dallas Goedert (war angeschlagen, ist wie Smith aber fit für Sonntag) sowie Elite-Receiver A.J. Brown. 42 Receptions für 672 Yards und 2 TDs lassen ihn ligaweit auf Platz zwei der WRs einkommen – die Nummer eins mit weitem Abstand wird im zweiten Teil noch Thema sein ;-).

Hier liegt es an DC Vic Fangio, eine Entscheidung zu treffen, wie Jalen Hurts und sein OC Brian Johnson ihn schlagen sollen „dürfen“. Entweder er stellt die Box zu und verläasst sich darauf, dass David Long Jr., Raekwon Davis und Co. ihre Stärke gegen den Lauf wiederentdecken und verhindern, dass Philly durch ein ausgewogenes Laufspiel die Uhr kontrolliert und die Defense auf dem Platz hält. Oder aber Fangio entscheidet sich dafür, A.J. Brown, Smith und Goedert als targets durch einen wohl spielfähigen „X“ Howard zu limitieren, auf übermäßiges Safety-Blitzing zu verzichten und die big plays aus dem Spiel zu nehmen. Das würde aber bedeuten, dass dem 4 man pass rush gegen eine wie gesagt sehr hochwertige O-Line eine sehr große Aufgabe bevorsteht. Die zweitbeste Offense der gesamten Liga kann sicherlich nicht komplett aus dem Spiel genommen werden. Ziel muss es sein, die Außenbereiche der Defense zu halten (Containment), big plays durch A.J. Brown und Hurts sowie durch das Laufspiel (die Fins sind hier anfällig) zu verhindern und die Offense einzudämmen. Keys to win defense sind also anspruchsvoll – dennoch ist es nicht unmöglich auch auswärts zu punkten.

Dabei helfen kann unter Umständen zum ersten Mal seit nahezu einem Jahr wohl auch wieder Cornerback Nick Needham. Er hat in den letzten Tagen zum ersten Mal wieder voll trainiert und könnte dafür sorgen, dass Kader Kohou auf den boundaries entlastet werden und wieder primär im slot eingesetzt werden kann. Man sollte von dem DB mit Football-Verbindungen nach Deutschland – Vater Steve Calhoun ist im deutschen Football beileibe kein Unbekannter – zwar nicht zu viel erwarten. Ein paar snaps für die Tiefe lassen sich aber sicherlich erhoffen.

Die beste Offense der Liga – das mobile Highlight reel trifft auf die Defense-Dominanz

Auf der anderen Seite des Balls nun kommen wir zur besten Offense der Liga. Beste rushing offense – obwohl Devon Achane weiterhin auf der IR-Liste steht und Chris Brooks seit gestern auch dort gelandet ist. Die bevorstehende Rückkehr von Jeff Wilson Jr., der in Philly sein Saison-Debüt geben sollte, entspannt diese Lage aber. Zwar ist Vorblocker FB Alec Ingold angeschlagen, aber auch er hat mit einem lädierten Fuß in den letzten Tagen zumindest teilweise trainiert. Er könnte die Offensive Line beim Blocking unterstützen, denn auch an dieser Stelle der battles an der Line of scrimmage kommt auf Mike McDaniel, O-Line Coach Butch Barry und seine Spieler eine Herkules-Aufgabe zu. Aber auch hier ist Licht am Ende des Tunnels: Center Connor Williams ist wieder im Training und könnte ein weiterer stabilisierender Faktor einer Line sein, die mit lediglich sechs erlaubten sacks auf Platz zwei der Liga steht – was aber erstens mit am schnellen release von Tua liegt und zweitens mit den Eagles und ihrem Kreativ-DC Sean Desai eine ganz andere Herausforderung wartet.

Mit Jalen Carter und Marlon Tuipolotu sind zwei DTs wieder im Training und können das Ziel der Eagles, durch eine kreative Rotation die Beine der Spieler frisch zu halten und den snap count gleichmäßig zu verteilen, weiter nach vorne bringen. Spieler wie Fletcher Cox (35) und Brandan Graham (33) sind nicht mehr die Jüngsten und brauchen des Öfteren eine Frischzellen-Kur. Dann können sie aber sicherlich den Druck erzeugen, der gebraucht wird. Wenn man sich als DolFan dann noch vergegenwärtigt, dass mit Haason Reddick, Derrek Barnett und Josh Sweat noch weitere potentiell schnellkräftige und gefährliche Pass rusher auf die Offensive Line warten, schraubt man die Ansprüche herunter.

Ziel kann es nur sein, dem Druck so lange standzuhalten, dass der statistisch beste QB der Liga mit dem schnellsten Release (Tua wird den Ball nach nicht mal 2,4 Sekunden los) die Möglichkeit hat, seine Waffen von der Kette zu lassen und eine gegen den Lauf starke Defense auf die Schwachstellen gegen den Pass anzusprechen. Gelingt dies nicht, müsste man sich gegen eine der stärksten run defenses der NFL auf das Laufspiel verlassen – und das ist trotz eines in Topform agierenden Raheem Mostert sowie eines kreativen Playcallings sicher nicht einfacher. Durch schnelles und gutes outside Containment sind Läufe über außen nicht gerade einfach – Mike McD muss und wird sich hier etwas einfallen lassen, damit Miami eventuell mehr produziert als die 66 Yards rushing, die Philadelphia im Durchschnitt konstatieren muss.

Aber zurück zu den Waffen, die dem hawaianischen Ballverteiler zur Verfügung stehen. Die Position A.J. Browns an zweiter Stelle des liga-weiten Receivings wurde bereits erwähnt. Nummer eins ist selbstverständlich mit weitem Abstand Tyreek Hill. Gemeinsam mit seinem kongenialen Partner, dem „Pinguin“ Jaylen Waddle, einem erstaunlich stark agierenden Braxton Berrios, dem kürzlich via Trade zugefügten Neuzugang Chase Claypool sowie Cedrick Wilson oder den RBs als targets trifft die Nummer eins passing-Offense mit einem Cheat Code, dem „Cheetah“ Hill, auf eine angeschlagene und gerade in der Tiefe verwundbare Eagles-Secondary.

Natürlich sind die beiden Outside CBs der Eagles mit James Bradberry und Darius Slay eins der besseren Duos der Liga. Allerdings sind sie nicht mehr die Schnellsten und werden ohne Unterstützung gegen Hill, Waddle und Miamis Speed Probleme bekommen. Hier besteht – sollte die Line lange genug halten – die Möglichkeit anzugreifen. Allerdings haben die beiden auch erst 5 TDs in den bisherigen sechs Spielen auf sich nehmen müssen. Sinnvoller ist es sicherlich, sich auf andere Matchups zu focussieren – denn hier beginnen die Probleme der Secondary. Safety Reed Blankenship und CB Bradley Roby fallen sicher aus, Slay, CB Eli Ricks und Safety Sydney Brown sind zumindest angeschlagen. Die LBs sind – trotz der Rückkehr von Nakobe Dean – nicht sonderlich gut gegen den Pass.

Sollte Desai also auf eine traditionelle man coverage vertrauen, braucht er zumindest tiefe Safeties als Absicherung und könnte so die Box zumindest anfällig gegen den Lauf machen. Hier sind die Eagles in der Theorie in der Lage, die Mitte des Feldes mit Fletcher Cox und Jalen Carter zu schließen. Aufgabe der Line, von Ingold und den TEs sowie Mike McDaniel als playcaller wird es sein, hier Löcher freizublocken – denn wie auch in einem anderen Duell mit einem NFC East-Team (den Giants) kann das Laufspiel und der Speed im second level von den Eagles nicht mehr aufgehalten werden und es KANN zu big plays kommen. Genau das werden Desai und die defense zu verhindern suchen.

Auch die Eagles werden den Fins nicht alle Waffen wegnehmen können, sondern dazu übergehen müssen, einer big play-Offense möglichst viele big plays wegzunehmen. Wenn es Tua gelingt, auch die secondary targets anzusprechen, könnte es ein herausragendes Spiel von Claypool, TE Durham Smythe oder Braxton Berrios werden. Tyreek Hill wird man nicht ausschalten können; man wird aber sicher versuchen, ihn zu doppeln und ihn so einzuschränken. Das schafft Platz für andere – wenn sie Tagovailoa finden kann.

FAZIT

Es wird ein Duell auf Augenhöhe werden, was uns da in der Nacht von Sonntag auf Montag bevorsteht. Beide Defenses haben individuelle Schwachpunkte (Miami den Lauf, Philly den Pass), die die jeweilige Offensive wird auszunutzen versuchen. Aufgrund dieser Tatsache könnte es ein high scoring-Spektakel werden, in dem der gewinnt, der frei nach Rocky am meisten wird einstecken können, ohne K.O. zu gehen. Auf der anderen Seite liefert gerade das Heim-Team – und deswegen sind sie in diesem Duell der Favorit – die theoretische Option, das Pass-Spiel der Fins zu beeinträchtigen und nicht viele Punkte zuzulassen. Die scoring Defense ist zumindest in der Liga Durchschnitt – allerdings sind die Dolphins auch ehrlich gesagt der erste erstzunehmende Gegner der Eagles. Es wird für beide Teams ein echter Härte-Test, wohin die Reise noch gehen kann. Es kann hier auf Kleinigkeiten ankommen. Ein gestoppter drive, ein gedroppter Ball (DeVonta Smiths Problem evtl.), ein gefumbleter Ball (da hatte ja Mostert durchaus seine Sorgen), eine Interception (Tua mit 5, Hurts mit sieben in der Saison – tun sich nicht so viel) oder vergebene FGs und PATs können dieses Spitzenspiel entscheiden. Kicker Jake Elliott hat bei den Eagles ein FG zwischen 30 und 39 Yards sowie einen Extrapunkt vergeben in 2023 – Jason Sanders Statistik unter 50 Yards sieht nicht wesentlich schwächer aus. Vielleicht – und damit auch der Überschlag zum siebten Spieltag – ist es die Nummer sieben, die dieses Spiel entscheidet und den entscheidenden „lucky punch“ setzt.

Finsup!

Tobi

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