WAS: NFL WEEK 13, Miami Dolphins (5-6) @ Green Bay Packers (8-3)
WANN UND WO: Donnerstag, 28.11.24 (Freitag, 29. November, 2.20 Uhr deutscher Zeit), Lambeau Field, Green Bay/Wisconsin
WO UND WIE ZU SEHEN: Auf DAZN in deutscher Sprache (kommentiert von Martin Pfanner und Wanja Müller) sowie im Rahmen des Game Pass
Das Zitat von Calais Campbell beschreibt es ganz treffend. Nachdem die Playoff-Hoffnungen der Miami Dolphins fast schon begraben werden konnten, haben drei Siege in Folge (gegen Rams, Raiders und Patriots) das Feuer wieder neu entfacht und Miami liegt mit einer Bilanz von 5-6 nun noch 1.5 Spiele hinter den Denver Broncos und Houston Texans im Kampf um Platz 6 oder 7 zurück. Damit dem Brand aber neue Nahrung gegeben werden kann, muss die Flamme auch das Auswärts-Spiel bei den Green Bay Packers überstehen. Dieses Spiel steht nun am Thanksgiving-Abend zur Primetime in den USA (in Europa in der Nacht von Donnerstag auf Freitag) an. Während als positives Argument die aktuelle Serie herhalten kann, ist die Seite der negativen Vorzeichen – besonders mit Blick auf die Geschichte – prall gefüllt.
I. Ein Blick auf die Traditionen – verliert Miami immer in der Kälte?
Als erste schwer beeindruckende Statistik lässt sich zum Beispiel die schon traditionelle Schwäche der Franchise aus dem warmen Florida bei Kälte anführen. Wie in den Gazetten Miamis schon ausreichend zu lesen war, haben die Dolphins in den letzten 34 Jahren (!) genau ein Spiel gewonnen, wenn die Temperaturen im negativen Bereich zu finden waren. Dementsprechend hat der von Miami im Jahr 2020 gedraftete Quarterback Tua Tagovailoa – erschwerend 1998 auch noch auf Hawaii geboren – bei niedrigen Temperaturen selten sonderlich gut ausgesehen. Wird das Ganze also eine Dienstreise ohne sportliche Aussicht auf Erfolg? Es scheint fast so. ABER: Die Bilanz im Lambeau Field sieht gar nicht sooo übel aus (offenbar schneit es dort ja nicht immer ^^), die Fins führen bei insgesamt sieben Begegnungen mit 4-3. Zwar ist der letzte Sieg (zugleich der letzte Sieg insgesamt) schon knapp 14 Jahre her (man setzte sich in Overtime im Oktober 2010 mit 23:20 durch) – die letzte Niederlage liegt aber auch schon sechs Jahre zurück (eine derbe 12:31-Klatsche aus 2018). Die letzten drei Aufeinandertreffen mit den „Käseköppen“ verloren die Dolphins. Viel schlechter könnten die historischen Vorzeichen eigentlich nicht sein. Die knappe Niederlage von Weihnachten 2022 haben sicherlich die Meisten auch noch im Gedächtnis. Nachdem man zur Pause noch 20:13 führte, musste man sich am Ende mit 20:26 geschlagen geben. Tua spielte zunächst stark, warf dann aber – gesundheitlich eingeschränkt – letzten Endes drei Interceptions und ein nicht guter Aaron Rodgers führte die Cheeseheads zum Sieg. Der ist nun allerdings nicht mehr da.
II. Die Offense der Green Bay Packers – ein „one trick pony“ als Dosen-Öffner? Weit gefehlt
Spielführer des Teams von HC Matt LaFleur is nun aber nicht mehr der alternde Ex-MVP, sondern ein gewisser Jordan Love. Der wurde ebenfalls im Jahr 2020 an 26. Stelle (nach einem Trade mit Miami) nach Wisconsin gelotst und überzeugt in dieser Saison bisher nur bedingt. Der 26-Jährige, zwischenzeitlich durch eine Leisten-Verletzung behindert, hat in neun Spielen zwar bereits 18 Touchdowns und 2244 Yards durch seine Pässe erzielt – auf der anderen Seite stehen bei ihm aber auch schon 11 Interceptions zu Buche. Seine Completion percentage ist bei knapp 62% überschaubar, bei 36 eingesetzten QBs in der Saison findet er sich auf Platz 32 wieder (hinter ihm nur die Herren Richardson, Brissett, Young und Lawrence). Wie aber ist dann ein QB mit einem 92-er rating Teil einer Offense, die sich in den relevanten Statistiken auf Platz 5 für total Yards (Platz 11 Passing) befindet? Hier gibt es in erster Linie zwei Namen zu nennen: RB Josh Jacobs und „Offensiv-Guru“ Matt LaFleur.
LaFleur und der OC der Packers, Adam Stenavich, schaffen es auf beeindruckende Art und Weise, der Offensive ein Scheme und eine hohe Qualität zu geben. Nicht umsonst erzielt Green Bay 26.2 Punkte im Schnitt pro Partie. Sie können auf ein breit aufgestelltes Receiving corps zurückgreifen (das gegen Miami aber durch den wahrscheinlichen Ausfall von Romeo Dobbs geschwächt wird. 483 Yards und 2 TDs in der Saison sind nicht sooo schlecht). Receiving Leader ist zwar Jayden Reed mit 669 Yards und vier TDs. Daneben stehen mit TE Tucker Kraft (OBACHT! Schon gegen Trey McBride und Brock Bowers sah Miamis Secondary nicht gerade gut aus!), Christian Watson und Dontayvion Wicks aber drei weitere Pass Catcher mit 200+ Yards auf dem Feld. Für die drei stehen bereits 12 TDs zu Buche.
Es ist also davon auszugehen, dass Jordan Love versuchen wird, den Ball auf verschiedene Receiver zu verteilen und die Tiefe der Secondary der Fins zu testen. Das diese durch den wahrscheinlichen Ausfall von CB Kendall Fuller (ebenso wie Packers-WR unlikely to play wegen Concussion, gleicht sich also aus) und den Abgang von Safety Marcus Maye nicht in Bestbesetzung wird auflaufen können, kommt als Schlüssel für einen Auswärts-Sieg erschwerend hinzu. Da Patrick McMorris (gerade am Dienstag erst wieder ins roster berufen) in seinem ersten Einsatz kaum eine Rolle spielen kann, kommt es auf Spieler wie Cam Smith, Kader Kohou, Storm Duck oder Elijah Campbell an. Oder eben Jordan Poyer auf Safety. Der und 2nd year player Smith sehen weder statistisch noch per Augenmaß sonderlich gut aus – gegen Green Bay wird aber eine Leistungs-Steigerung dringend erforderlich sein. Zwar soll uns Jordan Love durch die Luft schlagen – ganz einfach machen wollen es die Dolphins dem Absolventen von Utah State aber dann auch nicht. Dabei helfen soll der durchaus prominente pass rush. Die Dolphins erzielen viele pressures, haben in den letzten Wochen (zugegeben aber gegen schlechte Protection) durchaus Druck auf den gegnerischen QB aufbauen können. Nun steht ihnen aber mit Green Bay eine starke O-Line gegenüber, die Jordan Love nur zehnmal sacken ließen (1/Spiel). Zach „Sack“ Sieler, Calais „Jungbrunnen“ Campbell, Emanuel Ogbah und improving Rookie Chop Robinson (wird von Woche zu Woche stärker) müssen dabei auf Phillips, Chubb und – surprise, surprise – auf Shaq Barrett verzichten, sind in der Breite aber gut aufgestellt. Gelingt es ihnen, Jodan Love unter Druck zu setzen und zu Fehlern zu bewegen, kann dies die Packers offensiv ins Stocken bringen. Ungenauigkeiten und Fehler hat deren QB ja wie gesagt schon einige dabei. Allerdings ist so weit nur die halbe Geschichte über die Offense aus Wisconsin erzählt. Es gibt da ja noch einen Josh Jacobs und das Laufspiel…
Der ehemalige Raider reißt in dieser Saison nämlich regelmäßig die gegnerischen Defenses auseinander. Nicht umsonst stellen die Grün-Gelben die drittbeste rushing offense mit knapp 150 Yards por Spiel. 944 Yards und sieben Touchdowns stehen für Jacobs zu Buche und es wäre vermessen zu hoffen, dass der 26-Jährige am Donnerstag Abend nicht die 1.000 Yards-Marke übertreffen wird. Zwar liegt er damit noch weit hinter Derrick Henry und Saquon Barkley zurück, die beide bei 1300+ Yards stehen. Das Treppchen der NFL schafft er damit aber locker. Auf die derzeit neuntbeste rushing defense der Dolphins wird also einiges zukommen – wobei dies auch keine Garantie ist, dass man gewinnt, wenn man Jacobs einbremsen könnte. Bei den Siegen gegen die Titans (43 Yards von Jacobs), Arizona (62), Rams (73) oder Chicago/Houston (jeweils 76 Yards) erzielte der Packers lead back unter 80 Yards – das Team gewann trotzdem. Das allgemeine Tackling konzentriert angehen, Jacobs zu bremsen versuchen, die Secondary in der Tiefe dicht halten – da wird einiges auf die Mannen von DC Anthony Weaver zukommen. Mal sehen, was der sich gegen die „Käseköpfe“ so alles einfallen lässt. Miami hat die siebtbeste Defense – das TNG wird hier ein echter Gratmesser werden.
III. Brennt die Offense rund um Tua weiter oder glimmt das Feuer in Lambeau aus?
Ein wirklicher Gratmesser wird das TNG aber auch für den „neuen“ Tua Tagovailoa. Seit seiner Rückkehr von der Verletzung liefern er und die Miami-Offense nämlich amtlich ab. Nur ein mal (bei den Rams) blieben die Dolphins unter der 27 Punkte-Marke und konnten dabei besonders im Drive building überzeugen. Ballkontrolle (nur eine INT und insgesamt vier Turnover in den letzten fünf Spielen sprechen dafür), lange und sichere Drives, die häufigst zu Punkten verwandelt werden können, bestimmen das Spiel. Kreatives Gameplay und Playcalling, Mut an den richtigen Stellen sowie eine bemerkenswerte Ruhe zeichnen den Hawaiianer und seine Teamkollegen seitdem aus. Der verteilt seine Bälle gerne in einer range von kurz hinter der Line of scrimmage bis hin zu 15-20 Yards nach vorne, vor allem im sog. 2nd level. Dabei variiert er seine Würfe durchaus. Nach außen, über die Mitte – das alles wird variabel eingesetzt. Gleiches gilt für die Receiver. Jonnu Smith zeigt mit seinen knapp 180 Yards in zwei Wochen auf, dass die Fins ein TE-Spiel besitzen. Jaylen Waddle hatte gegen die Pats sein „season breakout game“, Tyreek Hill ist eine stetige Gefahr, auch Odell Beckham, Durham Smythe, Julian Hill und Malik Washington bekommen ihre targets. Vergleichbar mit der Packers-Offensive setzt der Alabama-Alumnus seine Mitspieler in Szene und ist in der Lage, 220+ passing Yards auf den Rasen zu brennen. Ob er dieses Feuer erstmalig auch in der Kälte wird lodern lassen kann, wird er am Donnerstag zu beweisen haben.
Entgegen kommen ihm dabei sowohl die Verletzung von Jaire Alexander (mit Abstand bester CB der Packers) als auch LB Edgerrin Cooper. Gerade in der pass Coverage haben die LB aus Green Bay so ihre Schwächen, ebenso die DBs Nixon, Bullard, Stokes, Ballentine und Valentine. Allesamt tragen sie ein 95+ opponent passer rating mit sich spazieren. Gut sind – neben Alexander – vor allem die Safeties. Da muss man kein Geheimnis erzählen, dass Würfe in die Richtung eines Xavier McKinney durchaus riskant sein dürften. Der 26-Jährige wurde zwar in dieser Saison erst 21 mal getargeted – angekommen sind davon aber nur 12. Zwei Pässe fanden den Boden – sieben aber den Verteidiger (!). Eine INT/target-Quote von 33,3% sind schon sehr beeindruckend. Er hat aber – wenn die Dinger ankamen – auch einiges an Yards kassiert. Ob Tua das Risiko eingehen sollte und mit seiner überragenden Accuracy dagegen hält? Dies wird ein key to win für die Dolphins werden. Immerhin ist der Dolphins-QB League leader mit 73,3% angekommener Bälle und nur einer INT seit seiner Rückkehr (bei den Rams). Dies ist ein Pfund, mit dem Mike McDaniel und Co. in Lambeau werden wuchern können.
Wer sich auch nicht wird verstecken müssen, ist Devon Achane. Nicht so sehr wegen seiner überragenden Statistiken im Laufspiel – da sind seine Statistiken wenig überragend. Knapp 300 Yards in den fünf Spielen mit Tua mögen sich zwar gut anhören – 97 davon waren aber gegen Arizona und 73 gegen Las Vegas. 130 Yards in den anderen drei Spielen sind alles andere als überzeugend. Aber das ist ja nicht alles, was den 2nd year Rookie von Texas A&M ausmacht. Seine Gefährlichkeit zieht der 23-Jährige vor allem durch seine sicheren Hände und den Einsatz im Pass-Spiel. Hier sind 40+ Yards/Spiel keine Seltenheit und vor allem in der Red Zone werden diese nicht gerade selten in TDs umgemünzt. Eine Eigenschaft, die Tua sicherlich auch in Lambeau wird nutzen wollen. Green Bay sollte hier gewarnt sein. Das Laufspiel generell war in den letzten Spielen kein Faktor – daraus die Formel zu kreieren, dass Miami nur gewinnt, wenn sie sub 100 Yards im running game erzielen, mag aber übertrieben sein. Zumindest war es bei den letzten Siegen (67,82 und 65 rush Yards) der Serie der Fall – das mag aber auch an der Verletzung von RT Austin Jackson liegen.
Womit wir beim letzten wichtigen Aspekt für Donnerstag wären: das run blocking und die pass protection der Miami Dolphins. Die sind beide alles andere als schlecht – was aber auch an der Geschwindigkeit des releases von Tua T. (knapp 2,3 Sekunden) liegen wird. Immerhin hat auch der Hawaiianer in den letzten fünf Spielen neun Sacks einstecken müssen. Aron Brewer (2 sacks allowed, viertbester Center nach PFF), Terron Armstead (0, zweitbester Tackle der Liga), Kendall Lamm (auch null, solider Vertreter von Jackson) sind dabei nicht das „Problem“. Das generieren die Gegner in erster Linie über die Guards. Ob der wieder genesene Isaiah Wynn für Donnerstag schon eine Option ist, bezweifle ich. Man wird sich mit Liam Eichenberg (64. von 77 Guards bei PFF) und Robert Jones (46., aber schon vier sacks zugelassen) begnügen müssen. DC Jeff Hafley, der die Stärke seiner Defense nicht auf einzelne Spieler bezieht, sondern sie durch das System und die kreativen Looks generiert, wird das wissen. Der wird auch die „Minus-Stärke“ gewisser TEs bei der Blocking-Unterstützung bemerkt haben. Er wird versuchen, die Line mit kreativen Blitz-Paketen zu überladen – ohne dass die Packers ein Team sind, die überragend viel blitzen. Vielmehr hat Green Bay sieben Spieler mit mindestens zwei Sacks und Rashan Gary mit 4.5 als deren Leader. Trotzdem sind vor allem die deutschen „Cheeseheads“ mit dieser Positions-Gruppe unzufrieden. Key to win (oder key um offensiv den Ball bewegen zu können), wird für die Unit von O-Line-Coach Butch Barry trotzdem sein, dies zu begrenzen und Tua Zeit zu geben.
Anders als in der letzten Partie aber sind die Green Bay Packers theoretisch in der Lage, einen Shootout mitzugehen. Anders als im letzten Spiel durch eine dominante Offense ist es im Lambeau Field aus meiner Sicht dieses Mal die Defense, die liefern muss. Dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Chancen nicht so schlecht sind, die alte Bilanz eines kälte-empfindlichen´, verweichlichten Teams aus der Sonne Floridas aufzuhübschen und das Feuer einer möglichen Playoff-Teilnahme weiter anzufachen.
#Go Fins!
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