Ein Spiel voller Comebacks und Premieren in Washington – lockt der erste Titel seit 15 Jahren?

WAS: NFL Spieltag Woche 13 – Miami Dolphins (8-3) @ Washington Commanders (4-8)

WANN UND WO: Sonntag, 3.12. 19 Uhr deutscher Zeit im Fed Ex Field, Landover/Maryland

WO ZU SEHEN: Im deutschen TV überträgt RTL+ (Freddie Schulz, Max von Garnier hinter dem Mikro) das Spiel live. Zusätzlich läuft es im Rahmen der DAZN #ENDZN (Chris Schimmel kommentiert) und natürlich im Game Pass.

Hallo, liebe Miami DolFans des deutschsprachigen und internationalen Raums! Nachdem man in der vergangenen Woche doch mehr oder weniger souverän die grüne New Yorker Franchise besiegen konnte, steht für die Miami Dolphins auf ihrem Weg in die Playoffs das nächste Spiel der regular season an. Der Tross reist nach Maryland, um sich mit den Washington Commanders zu messen. Alle bisherigen Duelle der Teams aus Miami und Washington fanden gegen die Washington Redskins statt, das letzte konnte Washington 2019 knapp für sich entscheiden. Wichtig zudem die Niederlage der Fins in Super Bowl XVII gegen gleichnamiges Team. Das erste Aufeinandertreffen unter der aktuellen Namens-Konstellation – nach dem Verkauf der franchise könnte es zudem das letzte sein; die Besitzergruppe um Josh Harris spekuliert mehr oder minder offen mit einer Umbenennung des Clubs – bietet aber nicht nur aus diesem Gesichtspunkt mehrere Premieren oder Comebacks.

Die erste Premiere hat nicht einmal etwas direkt mit dem Spiel zu tun. Es wäre nämlich eine Premiere für HC Mike McDaniel, falls die Fins gewinnen sollten. Im letzten Jahr folgte auf das 8-3 eine Niederlagen-Serie, die in San Fran seinen Anfang nahm. Ein 9-3 wäre also auch für ihn etwas, was er noch nicht kennt. Ebenso wenig die daraus resultierende 3-Spiele-Führung in der AFC East, da die Bills Bye week haben.

Die personelle Situation der Franchises

Gerade auf Seiten der Miami Dolphins wird es personell im Vergleich zu den letzten Wochen einige Änderungen geben. Auf der Seite der fraglichen Spieler findet sich Safety und Interception-Held Jevon Holland wieder, der bis einschließlich Donnerstag nicht trainieren konnte, am Freitag eingeschränkt dabei war und sich mit Problemen an beiden Knien herumplagt. Es ist gut möglich, dass Holland das zweite Spiel seiner Karriere verpassen könnte. Der Verlust des mit einem knapp 91er-PFF ratings statistisch besten Spielers auf seiner Position wäre eine herbe Schwächung, spielt er doch (mit Ausnahme des Spiels bei den Bills) eine überragende Saison. Als Ersatz kämen Brandon Jones, Elijah Campbell (hat wegen Schulterproblemen selbst nur eingeschränkt trainiert) oder eine Umstellung z.B. von Jalen Ramsey in Frage.

Eine weitere (in dieser Saison ewige) Baustelle betrifft die Offensive Line. Es ist fraglich, ob die Guards Robert Jones und Lester Cotton spielen, Robert Hunt dürfte sein Comeback geben können. Terron Armstead will spielen, hat aber nur limitiert an den Vorbereitungen teilgenommen. Tackle Kendall Lamm hat nach Rückenbeschwerden am Freitag zumindest wieder zum Teil trainiert, aber die Besetzung der O-Line (über Austin Jackson, C Connor Williams und Liam Eichenberg hinaus) dürfte sich erst kurz vor dem Beginn klären. Kion Smith, der zehnte der eingesetzten Dolphins-O-Liner in dieser Saison, stünde für seine starting unit-Premiere bereit und hat ja schon gegen die Jets einige snaps erhalten. Trotzdem ist mit Hunt, Armstead und Eichenberg zu rechnen – sicher ist das allerdings nicht

Eine zweite Premiere steht der Defense der Dolphins bevor, denn es ist davon auszugehen, dass Jason Pierre-Paul, den man als veteran-Ersatz für den an der Achilles-Sehne operierten Jaelan Phillips nachverpflichten konnte, einiges an Spielzeit sehen wird. Die große Aufgabe wird es hier sein, die „next man up“ – Mentalität auf den Turf zu bringen und die production im pass rush – noch mehr als ohnehin schon – auf mehrere Schultern zu verteilen. Denn auf der Gegenseite wartet am Sonntag ein Team, welches sich für diese Art defensiven Footballs verwundbar zeigt.

Howell in Command – Washingtons Offense

Sage und schreibe 55 Sacks, also beinahe fünf pro Spiel, muss Quarterback Sam Howell hinnehmen. Center Tyler Larsen hat Knieprobleme, konnte aber trainieren. Er wird wohl spielen können. Gemeinsam mit den Tackles Andrew Wylie (69er-PFF, 7 Sacks verschuldet) und Charles Leno Jr. (74 PFF/3 Sacks erlaubt), den Guards Sam Cosmi (75/1) und Christopher Paul (44/4) bildet Larsen (50er-rating, 3 sacks allowed) allerdings sowohl im pass blocking als auch im run block eine der schwächsten Lines der NFL.

Auf der Gegenseite wie gesagt die Premiere von Jason Pierre-Paul für die Franchise seines Heimat-Staats. Trotz der schweren Verletzung von Phillips sollte Miami schwer Druck verursachen können. Bestes Beispiel dieser Unit sind die DTs Zach Sieler und Christian Wilkins. Die Nummer 94 der Defensive von DC Vic Fangio konnte letzte Woche zwei Sacks verbuchen und kann gerade einen angeschlagenen Center durch die Mitte attackieren und bei Sam Howell „vorbeischauen“. Was die Stats aber deutlich zeigen: gegen die Jets Wilkins mit zwei Sacks. Gegen die Raiders Phillips mit zwei. Gegen die Giants Sieler mit zwei. Gegen die Eagles Chubb mit zwei Sacks. In Buffalo AVG mit zweifacher Ausbeute. Es lässt sich deutlich erkennen, auf wie viele Schultern der pass rush der FDins verteilt wird und das Vic Fangio damit sehr gut und kreativ umgehen kann, um die protection auszuhebeln. Die Zahlen geben das relativ gut wieder.

Was PFF so nicht wiedergeben kann, ist die Konsequenz für das offensive Schema, das der hoch gepriesene OC Eric Bienemy mit seinem Rookie spielen lassen kann (oder muss). Zwar führt etwas überraschend Sam Howell die Liga mit passing Yards (3339 Yards) an – aber eben auch mit fast 500 Wurfversuchen. Im Schnitt wirft der Absolvent von North Carolina den Ball vierzig mal. Dabei konnte er zwar 18 TDs erwerfen – musste aber auch schon 13 Picks über sich ergehen lassen. In der Completion percentage ist er doch eher Durchschnitt. Selten mal hat zudem Sam Howell genug Zeit, um den Ball über mehr als 20 Yards zu verteilen; lange Bälle sind in der Offense schlichtweg nicht vorgesehen. Die offensive protection hält aber offensichtlich auch nicht lange genug, dass Howell seine Armstärke auch regelmäßig einsetzen könnte.

Dabei ist Washington auf dem Papier gerade beim pass catching alles andere als schlecht aufgestellt. Terry „scary Terry“ McLaurin erreicht die Top 25 der NFL nach Yards zwar nicht, ein Top 20-WR ist er aber auf jeden Fall. 60 Receptions bei 97 Targets und nur 2 TDs geben seine Stärke aber nicht hinreichend wieder. Das Duell McLaurin gegen Ramsey wird bestimmt eines der key matchups des Spiels werden, da beide zu den Elite-Spielern ihrer Position gehören.

Curtis Samuel, Jahan Dotson, TE Logan Thomas und die beiden RBs ergänzen das auch in der Breite gute Angebot des Commanders Receiving corps. Zwar lassen die Yards after catch und auch die Längen in der offensiven Produktion etwas zu wünschen übrig. Dies liegt aber in erster Linie an der Tatsache, dass under Center eben ein 23-jähriger Fünftrunden-Rookie des letzten Jahres von North Carolina steht. Er ist auch nicht gerade ein „Air Jordan“, der wohl bekannteste Alumnus dieses Colleges. Das man so einen QB an 144. Stelle bekommt und sich das auch durch ein fast gänzlich sitzendes Rookie-Jahr in 2022 nicht geändert hat, war zwangsläufig. Er spielt 2023 quasi seine Rookie-Saison und man wird das restliche Jahr in erster Linie dazu nutzen, ihn zu evaluieren und zu sehen, was man offensiv mit ihm bekommt und ob er die Zukunft sein könnte.

Was man von Sam Howell nur schwer bekommt, ist Konstanz in seinen Leistungen. Konnte er in Woche acht gegen die Eagles mit 4 TDs und knapp 400 Yards brillieren, hat er in den letzten beiden Niederlagen gegen Giants und Cowboys mit insgesamt 555 Yards bei einem TD aber vier (!) Interceptions reichlich Federn lassen müssen. Jalen Ramsey, Xavien Howard und Jevon Holland dürften sich schon auf den Vergleich mit den Commanders-Receivern und den Bällen vom Rookie-QB freuen.

Unterstützung gegen die inzwischen sechstbeste Lauf-Verteidigung der Liga (Wahnsinn, wenn man die Premiere bei den Chargers bedenkt) bekommt der 23-jährige dabei nicht durch die rushing offense. Bei Washington erhält in erster Linie Brian Robinson die snaps – seine Carries liegen aber „nur“ bei rund 20 pro Spiel, da die Bienemy-Offense ziemlich pass heavy ist. Er und sein Kollege Antonio Gipson werden aber auch als gefährliche Waffen im Pass-Spiel eingesetzt – darauf gilt es zu achten. Generell ist Robinson bei 4.0 Yards/Lauf aber ebenfalls Opfer des un zureichenden Blockings seiner Vorderleute. Lange Läufe sucht man bei den rushern ebenfalls vergeblich. Big Plays produziert bei den Commanders wohl nur der Quarterback. Das sollten die Fins kontrollieren können. Die Commanders erzielen im Schnitt 20 Punkte. Im gesamten November konnten die vier Gegner der Miami Dolphins nie mehr als 21 aufs Board bringen. Washington wird es schwer haben, diese Grenze zu überschreiten und offensiv zu produzieren.

Die andere Seite des Balls – die Offense der Miami Dolphins

Auf der anderen Seite des Balls kam die offensive Produktion ein wenig ins Stottern, auch wenn die Fins in New York 34 Punkte schreiben durften, in der Regel (bis auf die Gastspiele in Philly und Frankfurt) 20 oder mehr Punkte erreichen. Man erzielt aber auch signifikant weniger als im heimischen HRS. Dennoch sollten Mike McDaniel und OC Frank Smith sich eine Offense ausdenken können, die den Gegner vor Probleme stellt. Der „doppelte One-Two-Punch“ aus Hill/Waddle und Rushing/Receiving sollte dazu führen, dass man selbst einen Veteranen wie Ron Rivera die Sorgenfalten auf die Stirn wird treiben können. Ob der sich (noch) Sorgen um seinen Job machen muss oder darf, ist nach der letzten Zeit in „seiner“ etwas chaotischen franchise alles andere als sicher.

Eben diese defensiven Sorgen hatten auch die Commanders in dieser Saison. Das noch nicht mal gegen den Lauf; die starke Interior Defense um die DTs Daron Payne und Jonathan Allen (5,5 Sacks) sorgt nicht nur für eine average run defense, sondern ist darüber hinaus – noch mehr nach dem Abgang der beiden Edge Defender Montez Sweat und Chase Young – auch für den pass rush mit verantwortlich. Die Mitte der Offensive Line wird hier also einiges zu tun haben, um Tua beschützen zu können.

Viel mehr Sorgen musste sich HC Ron Rivera um die Pass-Verteídigung machen, die schon Jack Del Rio seinen Job als DC kostete und dafür sorgen wird, dass Rivera persönlich die plays gegen Miami called. Wer im Schnitt (!) 29 Punkte zulässt – dead last in der NFL – und sich dabei 265 passing und 113 rushing Yards im Schnitt einschenken lässt, der möchte sicherlich nur ungern gegen die beste Offense der Liga antreten. Das ist (trotz aller Kritik) Miami immer noch. Wenn es also gelingt, die eigenen Stärken gegen die Schwäche der Commanders ins Spiel einzubringen, dann kann die klare Favoriten-Rolle der Dolphins schnell auch deutlich werden.

Schlechte Nachricht für die Commanders: Jaylen Waddle ist derzeit in herausragender Form. Knapp 80 Yards im Schnitt in den letzten vier Spielen sind für eine Nummer „1B“ sicher nicht so schlecht. Die nächste 1000 Receiving Yards-Saison lockt. Zumal den Commanders mit CB und 1st round-Rookie Emmanuel Forbes noch eine wichtige Kraft in der Secondary fehlen wird. Die haben mit Kendall Fuller zwar einen Veteran zu stehen; aber auch der hat in dieser Saison bereits 7 TDs und 561 Yards kassiert. Zum Vergleich: Howard hat 253 und 1 zugelassen (in 9 statt in 12 Spielen zwar, aber trotzdem signifikant weniger), Kader Kohou hat ähnliche Zahlen wie Fuller – aber der ist auch nicht von Hause aus boundary Corner. Was ich sagen will: wenn der beste Secondary-Spieler diese Zahlen hat, kann man sich ausmalen, was Waddle, Tyreek Hill (immer noch auf Kurs 2.000 Yards übrigens. Dafür muss er im Schnitt aber 110 Yards produzieren), Braxton Berrios und Co. mit dieser Verteidigung machen können. Übrigens: da Forbes ausfällt, besitzt nur einer der DBs mit einer relevanten target-Zahl bei Washington ein opponent passer rating von unter (!) 95, lediglich CB St. Juste und S Curl liegen bei einer zweistelligen Nummer. Bei den Dolphins ist es andersherum, da hat nur Kohou eins von über 100…

Weitere schlechte Nachricht für Washington: RB Raheem Mostert ist in herausragender Form und könnte einen weiteren Schritt in Richtung einer der besten running Saisons der Dolphins dieses Jahrtausends machen. Die Richtung zeigt eindeutig auf eine 1000 Yards/20 TDs-Saison. Hält er seinen Schnitt von knapp über 70 Yards bei, kann er zum Heimspiel gegen New York die Grenze zur Vierstelligkeit knacken. Das wäre career high und eine weitere Premiere. Es könnte sogar passieren, dass er mit 106 rushing Yards im Spiel im Fed Ex Field seinen Karriere-Bestwert erreichen könnte. Wenn man ein Gesicht des momentanen Erfolgs der Fins finden möchte, der kommt an Raheem derzeit sicher nicht vorbei.

An wem Coach Mike McDaniel auch nicht mehr vorbeikommt, ist Devon Achane. Der Rookie ist offensichtlich wieder fit, hat trainiert und wird in Washington spielen können. Man wird sicherlich verhindern wollen, dass er sichm noch einmal verletzt. Dennoch sollte er einige snaps und Carries bekommen, um Mostert und Wilson Jr. entlasten zu können. Chris Brooks ist zudem von der IR-Liste wieder zurück; er wird aber noch nicht wieder spielen können.

Zum Abschluss musste die Offense der Miami Dolphins im Thursday Night game dieser Woche ebenfalls eine Premiere verkraften. DK Metcalf von den Seahawks hat sich erdreistet, mit einem speed von 22.23 MPH (nach Next Gen stats) während eines 71 Yards-TD die Spitze der NFL für sich zu beanspruchen. Das sollte für Tyreek Hill, Devon Achane und Raheem Mostert ausreichend Motivation sein, sich neben den Plätzen 2-6 auch den Top speed record zurückzuholen.

Wenn man den Speed auf den Rasen bekommt, Sam Howell unter Druck setzen und zu Fehlern zwingen und die eigenen Giveaways minimieren kann, sollte der Sieg im Fed Ex Field nur über die Miami Dolphins gehen und eine Vorentscheidung im Kampf um die Playoffs fallen können. Ein Shootout wird es eher nicht geben, dafür ist der Rookie-QB auch nicht konstant genug. Er kann aber natürlich auch explodieren – diese Gefahr ist bei der Stärke der Miami-Secondary aber auch nicht sonderlich groß. Die eigenen Stärken durchbringen in der Offense und in der Defense wie gewohnt konstant und auf mehrere Schultern verteilt abliefern, dann geht der W nach Florida.

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