NFL nach Weihnachten – Weiter im Playoff-Rennen oder Kampf um die „Goldene Ananas“?

WAS: NFL Week 17, Miami Dolphins (7-8) @ Cleveland Browns (3-12)

WANN UND WO: Sonntag, 29.12.2024, 22:05 deutscher Zeit im Huntington Bank Field, Cleveland/OH

WO UND WIE ZU SEHEN: DAZN im Rahmen des Game Pass; es ist aber damit zu rechnen, dass DAZN es auch mit deutschem Kommentar übertragen könnte (da RTL sicherlich parallel Packers-Vikings auswählen dürfte und es nur zwei Spiele in diesem slot gibt).

I. Die Vorgeschichte

Nach dem doch recht überzeugenden Sieg gegen die SF 49ers im heimischen Hard Rock Stadium gehen die Miami Dolphins mal wieder auf Reisen und stellen sich bei den Cleveland Browns vor. Dieses Spiel und dessen Bedeutung entscheiden sich aber bereits in dessen Vorfeld. Sollten am Samstag Abend sowohl die Chargers bei den Patriots und die Broncos bei den Bengals gewinnen, sind Miamis Playoff-Hoffnungen vorbei und das Auswärts-Spiel im Bundesstaat Ohio hat nur noch statistischen Wert. Nur, wenn eines der anderen beiden AFC-Teams eine Niederlage kassiert, haben die Dolphind vor ihrem eigenen Spiel überhaupt noch theoretische Chancen auf Platz sieben. Alle anderen Eventualitäten sind dann irrelevant. Ebenso unwichtig sind die historischen Komponenten des Duells, welches die Miami Dolphins overall mit 12-9 vorne sieht; in Cleveland sieht die Bilanz im neuen Jahrtausend aber weniger berauschend aus. Lediglich das Spiel des Jahres 2013 konnte Miami für sich entscheiden, in den anderen vier Partien (u.a. dem 24.11.2019, wo es mit 24-41 eine derbe Abreibung gab) gingen die Browns als Sieger vom heimischen Platz. Ganz im Gegensatz zum letzten Aufeinandertreffen aus dem November 2022, wo Tua Tagovailoa sein Team im HRS zu einem deutlichen 39-17 – Heimsieg führen konnte. Für Cleveland stand damals Jacoby Brissett under Center. Übrigens beendete die Mannschaft aus dem Süden Floridas die Saison 2022 mit 9-8, konnte die Playoffs erreichen. Ob dies ein gutes Omen sein kann, steht wie gesagt schon beim Kickoff fest.

II. Das Narrativ

Zunächst wird einmal der Elefant vom Eis geholt. Die Cleveland Browns gehören nicht gerade zu den stärksten Teams der NFL – das Narrativ, dass Tua und die Dolphins die guten Teams nicht schlagen könne, greift am Sonntag demnach nicht. Das Wetter kann ebenso wenig als böses Vorzeichen herangezogen werden. Derzeit werden in Cleveland Temperaturen um 8 Grad vorhergesagt. Dies befindet sich noch überhalb der „Miami kann in der Kälte nicht gewinnen“ – Grenze, so dass auch dies kein bedingender Faktor sein sollte. Miami geht als deutlicher Favorit in dieses Spiel und werden derzeit mit 6.5 Punkten vorne gesehen. Das liegt unter anderem daran, dass Cleveland seit dem 22.11. (Heimsieg gegen die Steelers) sieglos ist und generell nur zwei der Begegnungen zu Hause gewinnen konnte; Miami hingegen hat die letzten beiden Auswärts-Spiele (in Green Bay und Houston) verloren, steht für die Saison in der Fremde ebenfalls nur bei zwei Siegen (bei den Rams und Patriots). Heimschwäche – mit positiven Ausreißern gegen Top-Teams – trifft also auf eine latente Auswärts-Schwäche. Nichtsdestotrotz sollten die Dolphins das Feld als Sieger verlassen können, wenn sie ihre Leistungen der letzten Woche stabilisieren können. In erster Linie gilt dies für die eigene Offensive

III. Miami Offense gegen die Defense der Browns

Im Spiel gegen San Francisco konnte vor allem Devon Achane überzeugen und mit insgesamt 190 scrimmage Yards (120 davon rushing) treibende Kraft im Angriff der Miami Dolphins sein. Gegen die Defensive des Teams aus dem Bundesstaat Ohio dürfte dies ähnlich möglich sein; sie lassen im Schnitt knapp 130 Yards rushing zu. Die Bengals (116) und die Chiefs (132 Yards) durften diese Schwäche zumindest ausnutzen und auch die Fins sollten in der Lage sein, den Ball über den Boden bewegen zu können. Besonders nach dem Tausch auf der Guard-Position (Wynn für Eichenberg) ließ sich das run blocking gegen die Shanahan-Defense doch recht gut an, wurde durch den 50 Yard-TD-run von Nummer 28 überstrahlt. Ein Wechsel in der Starformation der Offensive Line ist nicht gerade unwahrscheinlich und sollte Stabilität verleihen, von der Miamis RBs profitieren könnten – auch wenn die rushing offense Miamis im Schnitt nur knapp dreistellige Yards auf den Statistik-Zettel schrauben kann und NFL-weit eher im unteren Bereich zu finden ist. Doch die Stärke der RBs ist ja nicht nur im reinen Laufen zu finden – vielmehr werden sie von OC Frank Smith und HC Mike McDaniel auch anders eingesetzt.

Vielmehr ist gerade Achane auch ein wichtiger Faktor als Anspiel-Station für Tua. Der spielte im HRS solide, musste weder sack noch INT hinnehmen. Allerdings war das Spiel mit 22/34 für 215 Yards und einen TD nicht gerade das Beste – was aber unter anderem an Tyreek Hill lag. Ob man ihm für das Spiel drei Drops anrechnen sollte, ist fraglich. Trotz seines zwischenzeitlichen TD – catches merkt man deutlich, dass Miamis (eigentlich) Elite-Receiver meilenweit von seiner Bestform entfernt ist. Da der Einsatz von Jaylen Waddle wieder fraglich ist, müssen andere Spieler in die Bresche springen und das passing game der Miami Dolphins ankurbeln. Hier sind die Browns zumindest Liga-Durchschnitt und lassen wenig mehr als 200 Yards pro Partie zu. Die CBs Martin Emerson (5 TDs kassiert), Greg Newsome (4 TDs zugelassen), Denzel Ward (4) sowie die Safeties Thornhill, McLeod (je 3) und Delpit (2) mussten allerdings schon 23 passing TDs zulassen. Lediglich Ward und Emerson haben ein opponent passer rating von unter 100. Vier Interceptions sehen sie in der NFL ligaweit auf Platz 31, nur unterboten von den Giants. Nimmt man die acht Fumbles dazu, die Cleveland erobern konnte, zählen Ballgewinne und Takeaways nicht gerade zur Stärke – das macht Platz 28 der NFL deutlich. Gleiches könnte man auch über Miami sagen; die Dolphins erreichten in der Kategorie wesentlich bessere 13 Ball-Gewinne…

Es wird also am Sonntag Abend wieder darauf ankommen, smart den Ball zu verteilen und einen evtl. Ausfall Jaylen Waddles „überspielen“ zu können. Allerdings sind neben dem Pinguin Tyreek Hill, Dee Eskridge und Malik Washington zumindest angeschlagen. Einer durchschnittlichen passing Offense (der 15. Platz wird allerdings durch die vier Spiele ohne Tua etwas „verwässert“) stehen darüber hinaus dann noch River Cracraft (letzte Woche eine Reception für 6 Yards) sowie die TEs Durham Smythe (1 Catch für 5 Yards gegen San Fran), Julian Hill (Nummer 89 halt…) – vorbehaltlich einer Elevation von Practice squad-WR Erik Ezukanma – eben Achane und Jonnu Smith sowie die RBs zur Verfügung. Der in der FA neu verpflichtete TE hat sich in den letzten Wochen zu einem primary target des hawaiianischen QBs entwickelt und im letzten Spiel neue TE franchise-Rekorde für Yards und Receptions aufgestellt. An den 1000 Yards wird er bei derzeit 802 receiving Yards wahrscheinlich scheitern. Eine 9 sollte bei Ende der regular season aber auf jeden Fall auf dem Zettel stehen. Gegen die Defense von Cleveland-DC Jim Schwartz könnte dies aber durchaus schwer werden, da die Verteidiger hier eigentlich stets recht gut aussahen. Travis Kelce (4/8 für 27 Yards), Pat Freiermuth (3 für 48) oder das Bengals-Duo Sample/Gesicki (zusammen drei für 26) konnten im Griff behalten werden. Das aktive Einbinden Jonnu Smiths könnte demnach schwierig werden. Es ist auf jeden Fall ein key matchup, welches im Auge behalten werden soll

Ähnlich anspruchsvoll dürfte das Spiel der Offensive Line werden. Der Namen Myles Garrett (12 sacks in 2024) bürgt für pass rush quality. Joe Burrow brachten die „Quarterback-Jäger“ letzte Woche vier mal zu Boden, für die Saison stehen 37 Stück auf der Haben-Seite. Allerdings kommen die Dolphins damit in dieser Saison einigermaßen zurecht – was daheim gilt. In den letzten beiden Auswärts-Spielen wurde Tua insgesamt acht mal gesackt, in den letzten beiden Heimspielen steht die Null. Ob ein Wechsel auf Isaiah Wynn auch hier positiven Impact haben kann, wird man sehen müssen. Für Tua könnte auch dieses Spiel smarte Entscheidungen verlangen, wann er Bälle wegwerfen und wann er taktisch einen Sack nehmen sollte. Letzten Endes wird wieder die Leistung des Alabama-Absolventen über den Ausgang des Spiels entscheiden. Gegen eine Defense, die im Schnitt über 25 Punkte zulässt, sollten die Dolphins auf eine ähnliche Zahl kommen, wenn sie das Spiel gewinnen wollen. Wie immer verlassen können sie sich dabei auf Kicker Jason Sanders, der seine Serie von Treffern in Folge immer weiter ausbaut und derzeit bei 810 Career points steht. Mit einer ähnlichen Leistung wie der vom letzten Sonntag ist es realistisch, dass er noch 2024 Garo Yepremian (830 Punkte; in 127 Spielen Dolphins-Kicker von 1970-78) von Platz zwei der ewigen Dolphins Scorer-Liste wird verdrängen können.

IV. Ist Miamis Defense eine Mogel-Packung und wie stoppt man die Offense aus Cleveland?

Betrachtet man die reinen Statistik-Bögen der NFL, ist die Sachlage vor dem Spiel am Sonntag relativ klar. Eine Top 10-Defense overall trifft auf den 25. besten Angriff der Liga. Der zweitschlechteste Angriff im Scoring sieht sich der zehntbesten Scoring-Verteidigung gegenüber. Aber das ist (leider) nur die halbe Wahrheit. Natürlich macht es der Miami-Offense ein Gegner leichter, der nur knapp 16 Punkte im Schnitt erzielt und der Unit von DC Anthony Weaver Paroli bieten möchte, die nicht mal 22 Punkte pro Spiel zulassen. Aber: gerade in den letzten Wochen entsteht der Eindruck, dass die Secondary der Fins auf einem absteigenden Ast ist. Die Raiders erzielen 268 passing Yards, die Packers 274, die Jets 319 und ein Brock Purdy mit schwächelndem Receiving corps letzte Woche 293 Yards. Das KANN auch Clevelands passing offense erreichen, die zwar im Schnitt nur 211 Yards auf den Zettel bringt und in den letzten drei Wochen stets an der 200 Yards-Marke gescheitert ist (gegen Bengals und Chiefs sogar jeweils deutlich unter 200 Yards passing).

Es benötigt demnach eine zumindest solide Vorstellung der Herren Holland, Ramsey, Kohou, Poyer und Fuller – die nahezu allesamt mehr oder weniger weit von ihrer Normal-Form entfernt sind. Jerry Jeudy (mit bereits über 1000 Yards Receiving), mit David Njoku ein starker TE (500 Yards, 5 TDs) als neue „Nemesis“ der Fins-Defensive sowie Elijah Moore leiden zwar etwas unter der Tatsache, dass sie mit Jameis Winston und seinem Vertreter Thompson-Robinson eher unterdurchschnittliche Ballverteiler hinter sich stehen haben. Wer spielen wird – Jameis Winston oder doch eher sein Vertreter, Dorian Thompson-Robinson – war am zweiten Weihnachts-Tag noch nicht ganz klar. Die desaströse Vorstellung von „DTR“ gegen die Bengals lässt mich jedoch an Winston glauben, wenn er denn fit und spielfähig ist.

Sollten die Dolphins aber weiterhin die argen Probleme im Tackling und der Coverage offenbaren, die sie in den letzten Wochen gezeigt haben, ist auch der „gunslinger“ Winston in der Lage, offene targets zu treffen. Klar, sein rating in den letzten vier Spielen hat nie die 90 erreicht. Neun Interceptions in diesem Zeitraum sprechen im Vergleich zu sechs TDs auch eine andere Sprache. Der Mangel an Konstanz beinhaltet aber immer auch die Tatsache, dass ihm ein „gutes Spiel“ herausrutschen kann.

Ein key to win sollte es aber dennoch sein, den Ball in die Hände des Florida State-Absolventen Winston oder „DTR“ zu legen. Unter Druck setzen und die pressure auf den gegnerischen QB hoch halten, lautet hier die Devise. 23 Sacks hat Winston in den sieben starts bisher hinnehmen müssen – lediglich beim Sieg gegen die Steelers blieb es bei nur einem. Die Chargers (6) und die Chiefs im letzten Spiel gegen Thompson-Robinson (5) brachten die Browns-QBs deutlich häufiger zu Boden. Das ist aufgrund der Verletzungen von Phillips und Chubb – der diese Saison nicht mehr spielen wird – sicherlich nicht Fins´- Lieblings-Disziplin. Zach Sieler möchte mit 8.5 season sacks allerdings noch zweistellig werden und auch Rookie „Chop“ Robinson wird den ein oder anderen „QB-Baum“ fällen wollen, derzeit steht er bei sechs. Es wäre an der Zeit, gegen die O-Line der Browns (sie schützt Winston zwar besser als DeShaun Watson; trotzdem steht Clevelands QB in fast jedem vierten play unter massivem Druck) die Statistik etwas aufzubessern, den gegnerischen Passer zu Fehlern zu zwingen und so die Secondary zu unterstützen.

Kann man demnach das Laudspiel der von Ken Dorsey designeten Offense also gewähren lassen, wenn diese keine 100 Yards im Schnitt und Platz 27 der NFL erreicht? In der Theorie mag dies richtig sein. Nick Chubb ist nach seiner Verletzung noch nicht wieder annähernd bei 100% angekommen, die 60 Yards hat er bisher in keinem seiner Saison-Spiele erreichen können. Magere drei TDs stehen für ihn zu Buche und sind für einen Spieler seiner Qualität indiskutabel. Wenn er auf die sechstbeste rushing defense der Liga trifft, sollte dieses Matchup deutlich für die Dolphins ausgehen und der Druck auf Clevelands Quarterback zusätzlich erhöht werden können. Ob es Chubb zusätzlich motiviert, dass auf der anderen Seite des Balls sein Cousin zumindest an der Sideline stehen wird und dies einen Effekt auf das Laufspiel haben wird, glaube ich aber auch nicht. Das sollten die Fins gut kontrollieren und im Rahmen halten können, so wie sie es in den letzten Wochen getan haben; seit der Bye week konnten lediglich die Colts (155) und die Packers (114 Yards) dreistellig gegen Miami laufen. Das sollten Chubb und sein Kollege Jerome Ford (beide mit gleichem workload) nur schwer erreichen können. Es steht und fällt demnach alles mit dem Pass-Spiel der Cleveland Browns. Sollte man auch das in einem durchschnittlichen Rahmen halten können, kann der Sieger des Spiels am Sonntag nur Miami Dolphins heißen. Ob und wie viel Wert dann dieser Sieg haben wird, hat die Truppe von Mike McDaniel nicht mehr in der eigenen Hand…

#Go Fins und Frohe Weihnachten nachträglich!

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